Fundstücke aus dem Landesarchiv Berlin, Folge 15

Fundstücke aus dem Landesarchiv Berlin, Folge 15

Was wurde aus dem OSW nach der Enteignung?

Die Enteignungen der ehem. AEG-Werke RFO und FAO auf dem Gelände an der Ostendstraße fanden in den Geschäftsberichten des OSW für die Jahre 1946 und 1947 nur am Rande Erwähnung. Im Geschäftsbericht für 1946 wurde zwar berichtet, dass „die bis 30.11.1946 angeschafften Spezialwerkzeuge, Messgeräte, Autos, Betriebs- und Geschäftsausstattungen […] 100%ig im Geschäftsjahr 1946 abgeschrieben“ worden seien, was die sowjetische Verwaltung erfreut haben dürfte, und zu den Grundstücken und Gebäuden heißt es: „Die Eigentumsfrage hierfür soll Laufe des Jahres 1947 geklärt werden.“[1] Von einer Übernahme durch eine sowjetische Aktiengesellschaft war in diesem Geschäftsbericht nicht die Rede, obwohl auch dem OSW spätestens im Dezember 1946  – so wie dem Nef [2]– angekündigt worden sein dürfte. Auch der Geschäftsbericht für das Jahr 1947, datiert auf den 19. März 1948, vermerkt nur lakonisch: „Für Grundstücke und Gebäude wurden gegen Ende des Geschäftsjahres Werte zum Zwecke der Übernahme durch die Sowjet-Aktiengesellschaft Isolator ermittelt.“[3] Das diese SAG Isolator auch für das OSW eine Rolle spielte, wurde nicht genannt.

Erst der Geschäftsbericht des OSW für 1948 befasst sich mit der Veränderung der Zuständigkeiten. „Das Werk für Fernmeldewesen „HF“, eine Filiale der Aktiengesellschaft „Isolator“, hat seine offizielle Tätigkeit am 1. Oktober 1948, nach seiner Aufnahme in das Aktien-Gesellschaftssystem- nach der Aufteilungsbilanz – begonnen. Aufgrund eines Befehls des Herrn Marschall Sokolowski wurden die Grundmittel des OSW laut Übergabeurkunde jedoch bereits am 29. 1. 1948 übergeben. Doch blieb dasselbe unter der Leitung des Büros für Wissenschaft und Technik. Der Charakter des Werkes und

seine Tätigkeit blieben dieselben, ausgerichtet auf wissenschaftlich-technische Entwicklungsarbeit und in geringem Masse für Fabrikationszwecke.

Erst vom Oktober 1948 an begann die Umstellung des Werkcharakters im „HF“ auf Fabrikationstätigkeit und seine Anpassung zur massenfabrikationsmässigen Produktion. […]

Die Produktionsorganisation im OSW ist erst im Entstehen. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass das OSW bisher eine reine Entwicklungsstelle mit kleinen Versuchsfertigungen war, die im Jahre 1948 Fertigungsaufgaben erhielt.“[4]

Man merkt diesem Geschäftsbericht deutlich den Unwillen der leitenden Angestellten an, die in der Entwicklung tätig waren, nun in einer ganz normalen Fabrik tätig zu sein, die auf gewinnorientierte Produktion ausgerichtet werden sollte. Zwar war die Zeit der Tüfteleien nicht ganz vorbei, weiterhin wurden auch Entwicklungsaufgaben gestellt, aber die Bedeutung von Versuchs- und Fertigungswerk veränderte sich drastisch.
So ganz unvorhergesehen, wie es in diesem Geschäftsbericht dargestellt wurde, war diese Entwicklung aber keineswegs. Spätestens seit 1947, wenn nicht sogar ab 1946, hatte sich abgezeichnet, dass die sowjetischen Interessen an dem technischen Büro, sowohl an den dort geleisteten Entwicklungsaufgaben als auch am Wissenstransfer stetig nachgelassen. Dafür gab es mehrere Gründe.

(Fortsetzung folgt)

Das Foto zeigt den Röhrenaufbau um 1. Stock des ehem. RFO-Gebäudes 1949.

[1] Geschäftsbericht des OSW für 1946 vom 22. Februar 1947, S. 4, Industriesalon, Nr. 7046.

[2] Vergl Befehl Nr. 80 des Chefs der Garnison und Militärkommandant des Sowjet-Sektors der Okkupationszone der Stadt Berlin, unterzeichnet von Morosow, 13.12.1946, in: LAB, Rep. C404, Nr. 68, o.P.

[3] Geschäftsbericht des OSW für 1947 vom 19. März 1948, S. 4, Industriesalon, Nr. 7047.

[4] Geschäftsbericht des OSW für das Jahr 1948, vom 26. Januar 1949, LAB C Rep. 404, Nr. 154.

Kommentar verfassen

Entdecke mehr von WF-Museum

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen