Fundstücke aus dem Landesarchiv Berlin, Folge 14

Fundstücke aus dem Landesarchiv Berlin, Folge 14

Die Enteignung der AEG/ NAG 1947/48

Den Anweisungen folgend hatten der deutsche Werksleiter Fricke und sein Buchhalter Max Siegert vom NEF dem von den Sowjets dafür als zuständig erklärten Arthur Kopp die Aufstellung des gesamten Vermögens des Teils des Besitzes der NAG, der von der NEF genutzt wurde, am 28. Januar 1947 übergeben und warteten nun, was wohl weiter geschehen würde.
Sie warteten fast ein Jahr. Und dann erschienen Anfang Januar 1949 zwei deutsche Herren, Christian Held als Bevollmächtigter des Bürgermeisters des Bezirks Köpenick und Erich Pitschel, Vertreter der deutschen Treuhand-Verwaltung für sequestrierte oder konfiszierte Vermögensobjekte in der SBZ[1] bei der deutschen Geschäftsleitung der NEF und erklärten, die am 28.1.1947 abgegebenen Listen seien hinfällig, da sich die Bewertungsvorgaben verändert hätten, dabei überreichten sie eine Abschrift des am 7.1.1948 erlassenen Befehl Nr. 188 der SMAD und verlangten, dass die Bewertungen neu aufgestellt werden müssten. [2]

Der SMAD war nämlich inzwischen aufgefallen, dass die deutschen Buchhalter in den Firmen, die SAGs einverleibt werden sollten, d.h. deren Wert als Reparationszahlung verrechnet werden sollten, nach sowjetischer Auffassung viel zu hohe Werte eingesetzt hatten. Mit dem Befehl 188 der SMAD vom 30.7.1947 wurde verlangt, dass diese Bewertungen alle nach unten korrigiert werden mussten.

Da es nun aber plötzlich eilte, einigte sich die Herren, dass nicht alles überarbeitet werden müsste, was geschätzt 16 Tage gebraucht hätte, und auf eine Generalüberarbeitung der Listen verzichtet wurde, es war aber „eine Korrektur infolge der seit Aufstellung der Listen erfolgten Veränderungen, insbesondere der Gebäudenutzung notwendig“[3], wofür 3 Tage veranschlagt wurden.

In diesem einen Jahr hatte sich nicht nur die Zusammensetzung der Übernahmekommission geändert, von Herrn Kopp war nicht mehr die Rede, auch auf sowjetischer Seite hatte sich einiges geändert. Es ging zwar in dem Befehl Nr. 180 vom 18. Dezember 1947 immer noch um die „Übernahme d. Überland-Kabelwerks ‚W.Tesch‘, der ehemaligen Firmen NAG-Büssing und AEG/FAO u. RFO, befindlich im Rayon Berlin-Köpenick, à conto der deutschen Reparationen“[4] aber nicht mehr durch die ‚namenlose‘ „Sowjet-Elektrotechnische Aktiengesellschaft“, sondern durch die Sowjetische Aktengesellschaft (SAG) „Isolator“. Als neuer Generaldirektor wurde nicht mehr Awerenko genannt wie Ende 1946, sondern Iwan Wassiljewitsch Loschmanow.
Am 29. Januar 1948 erfolgte die offizielle Übergabe des NAG-Geländes und der ehem. AEG-Firmen RFO und FAO durch Christian Held, den Bevollmächtigten des Magistrats von Köpenick an Loschmanow, der am 27. Januar 1948 die Vollmacht der SMAD bekommen hatte, als Vertreter der UdSSR zu agieren. Übergeben wurde die „Fabrik für Fernmeldeeinrichtungen ‚HF‘ der ehemaligen Firmen Nationale Automobil-Gesellschaft NAG-Büssing und AEG (FAO und RFO) mit allem dazugehörigen Vermögen, Grundstücken, Wohn- und Fabrikgebäuden und Bauten und anderen Wertobjekten.“[5] Erstmals wird hier der Name „HF“ genannt. Das Werk in der Nalepastraße ist nicht Gegenstand der Übergabe.

Als Gesamtwert der „Fabrik für Fernmeldeeinrichtungen ‚HF‘ der ehemaligen Firmen NAG-Büssing und AEG (FAO und RFO), bestehende aus einem mehrstöckigen Hauptgebäude (Steinbau) und einer Reihe einstöckiger Stein- und zweistöckiger Holzbauten“ wurden 4 547 514 Mark festgelegt. Zu den Grundstücken gehörte nicht nur das Grundstück Ostendstr. 1-5, dessen Wert auf 1.029 Mio. Mark geschätzt wurde, sondern auch ein Grundstück auf der anderen Seite der Ostendstr., Nr. 16-18, später als AFO-Gelände bezeichnet, im Wert von 46 157 Mark.

Die Inventarverzeichnisse der beiden Firmen OSW und NEF für Ausrüstungen und Mobilien, die diesem Protokoll beigefügt waren, umfassten 165 der insgesamt 183 Seiten des Übergabeprotokolls. Detailliert war nicht nur der Wert jeder Maschine, jedes Messgeräts, jedes Ofens festgehalten, sondern auch jeder Schreibmaschine, und selbst Decken- und Tischlampen, Zeichenbretter, Tische und Stühle wurden aufgeführt, allerdings nicht so detailliert, wie die Maschinen.

Auffallend ist, bei wie vielen Maschinen, aber auch bei den Geräten und selbst bei den Schreibmaschinen das Kauf- und Aufstellungsjahr geschätzt wurden, obwohl sowohl der Buchhalter der NEF als der des OSW nicht erst 1945 dort angefangen hatten, sondern vorher wohl schon bei FAO bzw. RFO tätig gewesen waren. Diese Schätzungen zeigen, das viele Maschinen offensichtlich erst nach der Demontage der beiden Werke FAO und RFO von Juni bis August 1945 aus den Depots, in denen die Sowjets zunächst die demontierten Maschinen gelagert hatten, ihren Weg in die Ostendstraße gefunden hatten und damit der Maschinenbestand wieder ergänzt worden war.

Gebäude und Ausrüstung der beiden Unternehmen OSW und NEF waren nun auch offiziell enteignet worden, obwohl beide Namen nicht im Übergabeprotokoll genannt worden waren. Und es gab seit Ende 1957/ Anfang 1948 die Fabrik für Fernmeldeeinrichtungen „HF“ mit dem Generaldirektor Loschmanow, aber inwieweit war der auch für OSW und NEF zuständig?

(Fortsetzung folgt)

[1] Vergl. Befehl Nr. 180 des Garnisons-Chefs und Mil. Kommandanten d. sowj. Okkupations-Zone der Stadt, Berlin, unterzeichnet von Morosow, vom 18.12.1947.

[2] Vergl. Aktenvermerk V 1/48, Betr.: Stand der Übernahme der restlichen von der NEF benutzten AEG-FAO-Vermögen und der von der NEF z. Zt benutzten Teile im NAG-Gebäude in eine Sowj. Aktiengesellschaft, abgezeichnet von Fricke, 9.1.1948, in: LAB, Rep. C404, Nr. 68, o.P.

[3] ebd.

[4] Befehl Nr. 180 des Garnisons-Chefs und Mil. Kommandanten d. sowj. Okkupations-Zone der Stadt, Berlin, unterzeichnet von Morosow, vom 18.12.1947.

[5] Übergabe-Protokoll vom 29.1.1948, in: LAB, Rep. C404, Nr. 68, o.P.

 

 

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