Fundstücke aus dem Landesarchiv Berlin, Folge 13

Fundstücke aus dem Landesarchiv Berlin, Folge 13

Die Enteignung der AEG/ NAG 1946/47

Bereits im Juni/Juli 1945 waren sowohl die AEG-Betriebe RFO und FAO beschlagnahmt und demontiert worden und in den alten Anlagen zwei WTB (wissenschaftliche-technische Büros), das LKVO im August und das NEF im Oktober 1945 eingerichtet worden.

Mit den Befehlen 124 und 126 schob die SMAD die Legitimierung dieser Beschlagnahmungen nach, in denen die Beschlagnahmung von Besitz/ Vermögen des Deutschen Reiches (Befehl Nr. 124) und Besitz/Vermögen von der NSDAP, ihrer Organe und der ihr angeschlossenen Verbände (Nr. 124) angeordnet wurden.

Mit diesen Befehlen zusammen wurden auch Instruktionen zur Vorgehensweise veröffentlicht, und in der Anlage 6 bestimmt: „Das herrenlose Vermögen, das sich auf dem von den Truppen der Roten Armee besetzten Gebiet Deutschlands befindet, ist in zeitweilige Verwaltung der SMA zu übernehmen.“[1] Nun waren zwar weder RFO noch FAO und auch nicht die NAG, der das ganze Gelände zwischen Spree, Wilhelminenhof und Ostendstraße gehörte, NSDAP-Mitglieder gewesen, und auch keine ihre angeschlossenen Verbände, aber sie waren eindeutig Rüstungsbetriebe gewesen. Außerdem stand ja bereits seit der Potsdamer Konferenz offiziell das Thema ‚Zerschlagung der Konzerne‘ auf dem Programm, und so hatte die SMAD alle Besitztümer/ Firmen des AEG-Konzerns (und anderer Konzerne)in ihrer Besatzungszone als ‚herrenlos‘ deklariert. In diesen Befehlen ging es aber nur um eine Beschlagnahme (Sequestrierung), nicht um die Enteignung. Die (vorwiegend kommunistischen) Verwaltungen der Länder in der sowjetischen Besatzungszone waren mit Feuer und Flamme dabei, ‚herrenlose‘ Betriebe aufzuspüren und der SMAD zu melden, hoffte man doch, Betriebe und Vermögen zugunsten der Länder verstaatlichen zu können.

Die Befehle Nr. 124 und 126 galten auch in Berlin, allerdings nur im Ostsektor. Während es zu den Enteignungen von Siemens in der SBZ und in Ostberlin eine wissenschaftliche Untersuchung gibt,[2] steht diese für die AEG leider noch aus.

Es war das Vorrecht der SMAD, zu entscheiden, was mit den beschlagnahmten Betrieben/ Vermögen geschehen sollte. Sehr erfreut dürften die Länder zunächst von Befehl Nr. 167 der SMAD vom 5. Juni 1946 gewesen sein, denn dort hieß es u.a. „Zufolge des Befehls Nr. 124 sequestrierte […] herrenlose Güter, […] sind bis zur Entscheidung des Besitzrechts den Selbstverwaltungen der Länder und Bundesgebiete zur Verfügung zu stellen. Bezeichnete Güter werden für den wirtschaftlichen Bedarf der Länder und Bundesgebiete genutzt.“
Allerdings gab es noch die Anlage 10 zu diesem Befehl, die verfügte: „Die Unternehmungen, die in der hier beigefügten Liste aufgeführt sind und sich in der von der UdSSR besetzten Zone befinden, sind als aus dem deutschen Eigentum herausgenommen zu rechnen, als teilweise Befriedigung der Reparationsansprüche der UdSSR aufgrund des Punktes IV Absatz I der Entscheidungen der Berliner Dreimächtekonferenz, und sie gehen in das Eigentum der Union der Sowjetischen Sozialistischen Republiken über.
Die oben genannte Liste der Unternehmungen bildet einen wesentlichen Bestandteil des gegenwärtigen Befehls.“[3] Merkwürdigerweise ist die hier genannte Liste nie veröffentlicht worden und – bis jetzt – auch in keinem Archiv aufgetaucht. Klar ist aber, dass alle wichtigen Elektrobetriebe in der SBZ und im Ostsektor auf dieser Liste standen.

LKVO bzw. ab Sommer 1946 OSW und NEF brauchten gar nicht aus dem deutschen Eigentum herausgenommen werden, da sie von Anfang an nach sowjetischem Verständnis russische Firmen waren. Aber das Grundstück, die Gebäude und ein großer Teil der Maschinen waren vorgefunden worden und sollten nun auch ordnungsgemäß enteignet werden. Die Sowjetunion war sichtlich bemüht, dass das alles nach deutschen Rechtsvorstellungen über die Bühne gehen sollte, allerdings immer zu ihren Gunsten, und sie nicht etwa einfach Betriebe usurpierte.

Am 13.12.1946 erteilte der Militärkommandant des Ostsektors den Befehl Nr. 80, dass Arthur Kopp dem Generaldirektor und Beauftragten der Sowjet-Elektrotechnischen Aktiengesellschaft Awerenko das Fernmeldekabel-Werk „‚WTesch‘ mit Filialen, früher FAO (AEG)“ übergeben sollte.[4]  Bei dem Fernmeldekabelwerk WTesch dürfte es sich um den späteren VEB FAF (Fernmeldekabel- und Apparatefabrik) in der Nalepastr. 72 gehandelt haben, der später zum 1961 gegründeten Institut für Nachrichtentechnik (ITN) gehören sollte.

Arthur Kopp war Prokurist bei der AEG gewesen. Ende Juni 1945 noch hatte die AEG-Leitung ihm die künftige Gestaltung der kaufmännischen Organisation in KWO und FAO übertragen.[5] Nach der Beschlagnahmung im Juli 1945 war er dann einer der Direktoren des FAF geworden.

In demselben Befehl wurden auch dem sowjetischen Direktor des WTB für Elektro-Vakuum-Technik (=OSW) und dessen sowjetischem Pendant beim WTB der Nachrichtenkabel (= NEF) aufgetragen, „die Gebäude, Einrichtungen und Kommunikationen des Besitzes der National-Automobil-Gesellschaft (NAG)“ und der FAO dem Generaldirektor Awerenko zu übergeben. Nicht enthalten in diesem Befehl war die Übergabe der beiden WTBs, die gehörten den Sowjets ja schon. Major Wildgrube war seit der Gründung des LKVO dabei und auch Genosse Weiz war bereits an der Gründung des NEF beteiligt gewesen.

„Zu den Vermögenswerten der FAO rechnen im Haus der NEF alle Maschinen, Fabrikationseinrichtungen, Messgeräte, Spezialwerkzeuge, Büromaschinen, Möbel und Utensilien, Bücher, Zeichnungsoriginale, die sich nach beendeter Demontage (Stichtag1. Okt. 1945) noch im Hause befanden.“[6]

Im Dezember 1946/ Januar 1947 hatte die Buchhaltung der NEF die Bewertungslisten für die in der NEF vorhandene Maschinen, Schreibmaschinen, Stühle etc. und die von der Nef genutzten Gebäudeteile entsprechend den gegebenen Instruktionen erstellt und diese Aufstellungen und die Gebäudepläne Arthur Kopp am 28. Januar 1947 überreicht. [7]

Und dann? Und dann passierte erst einmal nichts.

(Fortsetzung folgt)

[1] Befehl Nr. 124 der Sowjetischen Militäradministration vom 30.10.1945, https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/13/Befehl_Nr._124_der_Sowietischen_Milit%C3%A4r-Administration.pdf;

[2]  Vergl. Ute Böhme, Die Enteignung von Großbetrieben und der Aufbau einer sozialistischen Planwirtschaft in der Sowjetischen Besatzungszone 1945 bis 1949 am Beispiel der Firma Siemens, Dissertation an der Philosophischen Fakultät I der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 2006.

[3] Befehl Nr. 167 der SMAD vom 5.6.1946, Anlage 10, https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/15/Anlage_10_Befehl_Nr._167_der_SMAD.pdf.

[4] Befehl Nr. 80 des Chefs der Garnison und Militärkommandant des Sowjet-Sektors der Okkupationszone der Stadt Berlin, unterzeichnet von Morosow, 13.12.1946, in: LAB, Rep. C404, Nr. 68, o.P.

[5] Schreiben der AEG Direktion an KWO und FAO vom 22.6.1945, in LAB, Rep. C404, Nr. 3, o.P.

[6] Aktenvermerk V 72/1946 über die Besprechung über die Vorgehensweise bei der Übernahme des AEG-FAO-Vermögens am 17./18.12.1946, abgezeichnet von Fricke, in: LAB, Rep. C404, Nr. 68, o.P.

[7] Vergl. Aktenvermerk V 1/48, Betr.: Stand der Übernahme der restlichen von der NEF benutzten AEG-FAO-Vermögen und der von der NEF z. Zt benutzten Teile im NAG-Gebäude in eine Sowj. Aktiengesellschaft, abgezeichnet von Fricke, 9.1.1948, in: LAB, Rep. C404, Nr. 68, o.P.

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