Aus der Geschichte des WF, Folge 8

Aus der Geschichte des WF, Folge 8

Betriebsteile kommen und gehen – zum Beispiel das NEF

Zum 1. Januar 1950 wurde das NEF (Nachrichtentechnik-Entwicklung und Fabrikation), dass sich in im Bauteil B des Peter-Behrens-Baus über 4 Etagen erstreckte, mit dem OSW fusioniert. Das NEF war – ähnlich wie das LKVO – aus einem 1945 von den Sowjets gegründeten wissenschaftlich-technischen Büro hervorgegangen, hatte aber genau wie das LKVO/OSW auch schon eine lange AEG-Geschichte als FAO (Fernmeldekabel- und Anlagen-Fabrik) hinter sich.
Seltsamerweise gibt es zu diesem AEG-Betrieb noch keinen Wikipedia-Eintrag, deshalb hier ein Exkurs in die Geschichte der FAO.

Um 1900 bereits hatte die AEG im kurz vorher eröffneten KWO (Kabelwerk Oberspree) neben der Herstellung von Starkstromkabeln auch in einer kleinen Anlage mit der Produktion von Schwachstromkabeln begonnen. Dies bot sich an, da die Kabelherstellung und die Messtechnik sehr ähnlich waren.
An einen Einstieg ins Fernsprechgeschäft war zunächst nicht gedacht worden, dies änderte sich aber um 1910/11. Zum einen lief 1914 das Patent für die Pupinspulen aus und die AEG beschloss, aber 1915 zur Verbesserung ihrer Fernsprechkabel eine Pupinspulen-Produktion aufzunehmen. Das es dazu zunächst nicht kam, lag am Ausbruch des 1. Weltkrieges. Zum anderen hatte AEG die Patentrechte an der Lieben-Röhre erworben, die eine entscheidende Entwicklung für die Verbesserung des Telefonverkehrs war. Für die Entwicklung und Testung der neuen Telefonleitungen war bereits 1913 ein 90 km langes Kabel verlegt worden.

1921 ging es dann aber richtig los. Unter Führung der Reichspostverwaltung, die Standards für die Telefonkabel festlegte, kam es im April 1921 zur Gründung der Deutschen Fernkabel-Gesellschaft mbH (DFKG), an der neben Siemens und anderen auch die AEG beteiligt war. Der Betrieb wurde in neu errichteten Werkstätten, die aber noch immer auf dem Gelände des KWO lagen, aufgenommen.  Die Kabelherstellung war, entsprechend erweitert, in einen geräumigen Hallenbau mit ausgedehnten Prüffeldern und Laboratoriums-Räumen übergesiedelt. Eine Spulenfabrikation war neu errichtet und das Relaislaboratorium war zur Verstärkerfabrikation erweitert worden.
Das Geschäft (und die Weiterentwicklung von Telefonnetz und -technik) lief so gut, dass 1927 der Betrieb, aber immer noch auf dem KWO-Gelände, erweitert wurde und ein Teil des Maschinenparks den neusten Erkenntnissen angepasst erneuert wurde.
Ob schon 1921 oder erst 1927 der Begriff Fernmeldekabel und -Apparatebau-Fabrik Oberspree (FAO) geprägt wurde, ist nicht so einfach zu ermitteln, feststeht aber, dass spätestens seit 1927 unter diesem Namen eine größere Anzahl Betriebe und Abteilungen zusammengefasst war. Zunächst die Fernmeldekabelfabrikation, die Pupinspulenfabrikation, die Produktion von Apparaten zur Herstellung von Verstärkern für Fernsprech-Weitverkehr, von Schaltungen für die Trägerstromtelefonie, für Mehrfach- und Wechselstrom-Telegraphie usw., alle verbunden mit umfangreichen Prüffeldern, eine Abteilung für Entwicklung und Herstellung von Mess-Schaltungen und -Geräten, dazu das Zentrallaboratorium, in dessen zahlreichen, ausgedehnten Abteilungen die Entwicklungsarbeiten für die verschiedenen Fertigungszweige durchgeführt werden

Schon im Ersten Weltkrieg hatte sich gezeigt, dass im Felde für die „neuen“ Telefonleitungen mit Verstärkerröhren ein immenser Bedarf bestand, vor allem, als die Front immer weiter vorverlegt wurde. Jeder kennt vermutlich aus Filmen, die im Ersten oder Zweiten Weltkrieg spielen, wie Soldaten mit Kabelrollen bewaffnet erst einmal damit beschäftigt sind, Feldtelefonleitungen zu verlegen. Und so wundert es nicht, dass im Zuge der Rüstungsproduktion des III. Reiches auch die FAO erweitert wurde bzw. umzog. Wurde für die Röhrenfabrikation 1938 ein neuer Anbau an den Peter-Behrens-Bau errichtet, so zog das FAO ab 1938 direkt in den Behrensbau.

Während der Kriegsjahre erlitt das FAO vor allem im Januar 1944 erhebliche Schäden durch Fliegerangriffe, aber die Brandschäden zogen weniger die Gebäudesubstanz als das Mobiliar (Möbel und Maschinen) und das Materiallager in Mitleidenschaft. Und da die Produktion kriegswichtig war, heute würde man systemrelevant sagen, konnte das meiste wiederbeschafft werden. Ein weiterer Werkteil des FAO befand sich übrigens in der Nalepastr. Nr. 172, aus dem der VEB FAF (Fernmeldekabel und Apparatefabrik) hervorging.

Nach Kriegsende wurde das das 6. WTB (wissenschaftlich-technische Büro) in den Räumen der ehem. FAO eingerichtet, dass sich mit Entwicklung und Musterfertigung von Trägerfrequenzeinrichtungen, Fernsteuereinrichtungen, Fernschreibeinrichtungen und den dazugehörigen Messgeräten befasste. Mitte 1946 wurde auch dieser Betrieb zu einer SAG umfirmiert, unterstand aber im Gegensatz zum OSW, das dem sowjetischen Ministerium für Elektrotechnik unterstand, dem sowjetischen Ministerium für Kommunikation.

Wie im OSW arbeiteten auch im NEF viele „Spezialisten“, die schon im FAO tätig gewesen waren, denn auch hier ging es ja – wie beim LKVO/ OSW – den Sowjets darum, technisches Knowhow abzuschöpfen, nur hier eben nicht im Bereich Röhrentechnik, sondern im Bereich Nachrichtentechnik. Und es verwundert auch nicht, dass für viel Korrespondenz die Rückseiten alter Formulare der FAO verwendet wurden.
Die Forschungs- und Produktpalette des Werks für Fernmeldewesen, wie dieses Superwerk ab Januar 1950 offiziell hieß, wuchs durch das NEF erheblich an. Es dauert aber noch etliche Monate, wenn nicht Jahre, bis es wirklich zu einem Werk wurde und nicht mehr – auch im HF-Sender – vom OSW und NEF gesprochen wurde.

Mitte der 1950er Jahre wurde aber bereits das Ende der Produktionsvielfalt eingeläutet und nach und nach Produktionszweige, die sich nicht mit Röhrentechnologie befassten, wieder abgegeben. Der letzte Akt war die Gründung des VEB Messelektronik in Berlin durch Auslagerung des Forschungs- und Produktionssektors Messelektronik des WF und des Funkwerks Köpenick.

 

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