Aus der Geschichte des WF, Folge 19

Aus der Geschichte des WF, Folge 19

Die Betriebskantine

Heute (25. Mai 2023) steht im Tagesspiegel im Berlin-Teil auf S. B 10 ein Artikel über die Umwandlung des Areals des ehem. Werks für Fernsehelektronik. Gezeigt wird ein Foto von den Überresten der Betriebskantine, die gerade in den letzten Wochen abgerissen worden ist.

War lange Zeit die alte Betriebskantine im Peter-Behrens-Bau untergebracht gewesen, wurde am 30. September 1974 der Grundstein für Neubau einer neuen Kantine auf dem WF-Gelände direkt an der Spree gelegt. Um Platz dafür zu machen, war im 1. Quartal 1973 eine alte Halle abgerissen worden. [1] Für den Bau erhielt das WF 1974 einen Kredit in Höhe von 2,8 Mio. Mark.[2]

Aus dem Pressebildarchiv des WF: Rede von Werksleiter Horst Kreßner bei der Grundsteinlegung der neuen Betriebsgaststätte auf dem WF-Gelände am 30. September 1974.
Foto, 30. September 1974.

Beteiligt an den Bauarbeiten waren u.a. Betriebe wie BMK Chemie Halle, TGA Potsdam, VEB Gesellschaftsbau Halle, Klima- und Lüftungstechnik Kleinbodungen und INDRO Karl-Marx-Stadt. [3]

Am 18. Februar 1976 konnte dann endlich die neue Betriebskantine eingeweiht werden. In der Küche konnten bis zu 4500 Portionen Essen hergestellt werden, von denen ein kleiner Teil für die 20. Polytechnische Oberschule als Schulspeisung und die WF-Kindergärten bestimmt war. Im Speisesaal gab es 600 Plätze für die Mitarbeiter des WF, und es wurde im 3-Schicht-Betrieb warmes Essen angeboten für alle Schichten im Werk.
In der 1. Etage war die Gewerkschaftsbibliothek und eine „Buch-Boutique“ untergebracht.[4]

„Die mit der Inbetriebnahme der Küche entstandenen Schwierigkeiten werden nach und nach überwunden. So verpflichtete sich das Kollektiv, alle Köche und Beiköche zu qualifizieren, dass sie an allen Geräten in der Küche arbeiten können. Damit wird die gegenseitige Ersetzbarkeit beim Fehlen eines Kollegen garantiert.“ berichtet der WF-Sender im Mai 1976 in der Ausgabe Nr. 17.

Für die Versorgung der WF-Mitarbeiter war 42 Arbeitskräfte zuständig, darunter das 28-köpfige Kollektiv „Gastronom“, das, wie fast alle Kollektive im WF, sich auch das Ziel setzte, den Titel „Kollektiv der sozialistischen Arbeit“ zu erlangen.[5]

Der große Speisesaal diente nicht nur für die Speisung der Tausende von Mitarbeitern des WF, sondern wurde auch als Veranstaltungs- und Versammlungsraum genutzt.

Aber die neue Küche und die neue Essensausgabe konnte nicht verhindern, dass sich, trotz versetzter Pausenzeiten der vielen Abt. im Werk Schlangen vor den Essenausgaben bildeten, je attraktiver das Gericht, umso länger die Schlange. „Im Tierpark bzw. auch im Fernsehen kann man kleine, dicke, große und riesengroße Schlangen bewundern. Ehrlich gesagt, ich mag keine Schlangen leiden. Mir gefallen diese Viecher einfach nicht. Dabei bin ich selbst ein Teil einer Schlange, wenn ich mit knurrendem Magen unsere Betriebsgaststätte betrete. Eine Schlange ist eine Schlange, wenn mindestens zehn Menschen aus irgendeinem Grund dichtgedrängt hintereinander stehen, wie das in unserem Speisesaal so üblich ist. Da gibt es Schnitzelschlangen, Kotelettschlangen, Bratfischschlangen und viele andere mehr. Heute war ich zum Beispiel Teil einer Pufferschlange. Sie war dieses Mal besonders träge und kroch mit öfterem Anhalten nur im Schneckentempo weiter. Am allerlängsten sind die Eisbeinschlangen. (Ein Ausdruck des Lobes für den Koch.) Die ringeln sich in weiten Kurven fast durch den ganzen Saal. Es gibt, wie auch in der Natur draußen, Schlangen, die im Aussterben begriffen sind, zum Beispiel die Forellenschlange und die Broilerschlange. Ein Exemplar taucht manchmal mitunter kurz vor Weihnachten auf, die Gänseschlange. Oft bilden mehrere Schlangen ein wirres Durcheinander, so dass man nicht weiß, ob man am Ende einer Bratfisch- oder Kotelettschlange steht. Da nützt kein Hälserecken und Sich-auf-die-Zehenspitzen-Stellen. Man kann da nur seinen Vordermann fragen, und der weiß es oft selbst nicht, denn die Essenschalter sind anonym. (Waren es bis vor einigen Tagen.) Es gibt jedoch Essenschalter, die sind entweder leer oder nur halbleer. Warum nur? Mögen diese Schlangen keinen Eintopf?“
Artikel unterzeichnet von „Löschke, TG 2“ im WF-Sender Nr. Nr. 48/ 1976, S.7.

Leider wurde für die Fotos in der neuen Kantine nicht der Betriebsfotograf der Bildstelle mit dem Fotografieren beauftragt, sondern entweder fotografierten die Redakteure des WF-Senders selbst oder es wurden freie Fotografen – wie z. B. Kurt Schwarz, von dem das Titelbild dieses Beitrags stammt – mit dem Fotografieren beauftragt. So finden wir zwar des Öfteren Informationen über die Betriebsgaststätte im WF-Sender, aber es fehlen uns Fotos und Archivmaterial, vor allem aber auch Berichte von Nutzern dieser Betriebskantine. Wie war das Essen, besserten sich die Wartezeiten, wie war es nach der Wende in der Kantine? Wir würden uns freuen, wenn wir da vielleicht einige kurze Berichte bekommen könnten, entweder als Kommentar auf Facebook oder per mail an archiv@industriesalon.de.

[1] Vergl. WF-Sender Nr. 21, 1973, S.4.

[2] Vergl. WF-Sender Nr. 23, 1974, S.2.

[3] Vergl. WF-Sender Nr. 36, 1975, S.3.

[4] Vergl. WF-Sender Nr.8, 1976, S.4/5, Nr. 17/1976, S. 6 und Nr. 47, 1976, S. 7.

[5] Vergl. WF-Sender Nr. 17/1976, S. 6.und Nr. 20,1976, S.8.

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