Fundstücke aus dem WF-Sender, Folge 1

Fundstücke aus dem WF-Sender, Folge 1

Die Anfänge des WF-Kulturhaus
Vorwort: Nachdem in den letzten Folgen der Reihe „Fundstücke aus dem Landesarchiv“ die Transformation des OSW als Zweigbetreib der SAG Isolator vom Forschungs- zum Produktionsbetrieb anhand der Akten aus dem Landesarchiv behandelt worden war, sollte es nun eigentlich mit der Entwicklung der NEF weitergehen, die erst zum 1. Dezember 1949 der SAG Kabel (vormals Isolator) eingegliedert worden war.
Eigentlich, aber uneigentlich war ich zur falschen Zeit am falschen Ort und geriet in eine Diskussion über die Gestaltung der Ausstellung über die Betriebszeitung WF-Sender, die am 1. Juli dieses Jahres im Industriesalon Schöneweide eröffnet werden soll. Erfolg war, dass ich nun auch an dieser Ausstellung beteiligt bin und daher gerade mal wieder vertieft in den Ausgaben des WF-Senders schmökere. Deshalb wird es nun einige Folgen der Reihe „Fundstücke aus dem WF-Sender“ geben.

Die erste Folge widmet sich den ersten Jahren des WF-Kulturhauses, das am 30. April 1954 am Vorabend des 1. Mai mit der Auszeichnung von Aktivisten eröffnet worden war.
Das Gebäude war 1912-1914 nach Plänen des Architekten Felix Lindhorst als Akkumulatorenfabrik in der Wilhelminenhofstraße 66/67 in Oberschöneweide errichtet worden. Nach dem 2. Weltkrieg diente es als „Haus der Sowjet-Kultur“ und kam dann an das WF.
Nun stellte sich die Frage, was in diesem Kulturhaus eigentlich geboten werden sollte. Dazu veröffentlichte der Kulturhausleiter Werner Griebner in der Ausgabe des HF-Senders, wie die Betriebszeitung bis 1955 noch hieß, im Januar 1955 seine Meinung und bewies sich dabei vor allem als strammer Genosse.  „Um die schöpferische Initiative der Werktätigen zu fördern und ihnen zu helfen, ihre Aufgaben in der Produktion besser zu lösen, muss der Entwicklung der Produktionspropaganda mehr Bedeutung und ihrer Wichtigkeit entsprechend, ein besonders großes Maß an Beachtung und Unterstützung gewährt werden. Es wird daher das Bestreben der Kulturhausleitung sein, die Erkenntnis in die Tat umsetzend, Vorträge über Produktionspropaganda, Gesellschaftswissenschaft, Kulturwissenschaft usw. im Kulturhaus zu organisieren.“
Und in der letzten Dezemberausgabe (47/54) 1954 schreibt er: „Was bringt das Kulturhaus unseres Werkes im Januar 1955? Das Jahr 1955 soll und muss zum erfolgreichsten Jahr im Kampf um die Einheit Deutschlands, im Kampf gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands werden. Das Jahr 1955 muss das erfolgreichste im Fünfjahrplan sein. Mit diesem Ziel vor den Augen lohnt es sich zu arbeiten, lohnt es sich zu kämpfen.
Wir wollen euch im Rahmen der uns zur Verfügung stehenden nicht geringen Möglichkeiten dabei behilflich sein, wir wollen euch Freude und Entspannung geben, damit ihr gestärkt und frisch mit neuer Kraft am nächsten Tag eurer Arbeit nachgehen könnt.“
Gut, dass sich die Werktätigen im Kulturhaus erholen konnten, damit sie dann gestärkt wieder in der Produktion für den Frieden kämpfen konnten.
Das Programm für den Januar 1955 fing entgegen dieser Einleitung recht unkämpferisch mit einer Karnevalsveranstaltung an, auch die Musikliebhaber sollten nicht zu kurz kommen. Politischer war schon ein Gastspiel des Berliner Ensemble mit dem Stück „Hirse für die Achte“ mit Ekkehard Schall u.a. Schauspielern des BEs. Obwohl die BGL (Betriebsgewerkschaftsleitung), Abt. kulturelle Massenarbeit und die Klubhausleitung bemühten,  das Kulturhaus zum kulturellen Zentrum des Betriebes zu machen und „Solisten des Metropol-Theaters, ein Konzert des Konservatoriums Berlin, buntes Varieté und Unterhaltungsprogramme der Deutschen Konzert- und Gastspieldirektion und eine große Rätselveranstaltung mit wertvollen Preisen“ anboten, blieb der Besucheransturm aus. Es kamen durchschnittlich nur 200 Besucher, beklagte sich Griebner im HF-Sender Nr. 20/55.
Noch viel trauriger war das Interesse der WF-ler an den angebotenen Vorträgen. Im Durchschnitt tauchte 7 Personen auf trotz des vielfältigen Themenangebots: „ Neben Vorträgen wie „Frauenkrankheiten in Jugend, Reife und Alter“, ein Thema, das gerade in unserem Betrieb alle Frauen interessieren sollte, hörten wir Aktuell-Politisches „Warum Kontrolle an den Sektorengrenzen“ oder „Welche Lehren ziehen wir aus der Afrikanisch-Asiatischen Konferenz in Bandung“; dazu Vorträge, die rein fachlichen Charakter trugen, „Regenerationsverfahren für Schneidewerkzeuge“ oder „Hochfrequenztechnik“. Weiterhin gehörten zu unserer Vortragsreihe allgemeinbildende Vorträge wie: „Die nationale Bedeutung der Werke Schillers“.

Besser frequentiert wurden vermutlich die wöchentlich stattfindenden Skatabende und Schachspiele, und im Schankraum des Kulturhauses konnte man Musik aus der Musiktruhe hören oder in die Röhre – sprich den Fernseher – schauen.

Auch gab es zunehmend Zirkel. „Unsere Zirkel und Volkskunstgruppen können sich im Kulturhaus entwickeln. Gesucht werden dringend Kolleginnen und Kollegen für die Tanzgruppe und für den Chor. Aber auch die anderen Gruppen, Akkordeon- und Zupforchester und die Hornissen [eine Kabarett-Gruppe] nehmen noch gern interessierte Kollegen auf“, berichtet der HF-Sender in Nr. 38 vom 5. Oktober 1955. Hinzu kamen regelmäßig Filmvorführungen. Auch ein Kinderballet probte wöchentlich im Kulturhaus.

Im März 1956 legte Werner Griebner die Klubhausleitung nieder und besuchte für ein Jahr die Bezirksparteischule. Sicherlich hatte er das Amt des Kulturhausleiters mit Elan begonnen, hatte aber wohl unterschätzt, was es hieß, so ein Haus zu leiten und wieviel Diplomatie dafür nötig war. Recht häufig beklagte er sich 1955 über den mangelnden Zulauf und fehlende Unterstützung, z.B. durch die FDJ. Nach Ablauf des Parteijahres kehrte er ins WF zurück und war 1959 bis 1961 stellvertretender Parteisekretär der BPO (Betriebsparteiorganisation der SED). Nach dem Februar 1962 verliert sich seine Spur im WF-Sender.

Das Foto aus dem Jahr 1958 stammt aus dem ADN-Bildarchiv, das sich heute im Bundesarchiv befindet und ist von Wikimedia heruntergeladen.  https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-57649-0001,_Berlin,_Obersch%C3%B6nweide,_VEB_%22Werk_f%C3%BCr_Fernmeldewesen%22,_Kulturhaus.jpg

Fortsetzung folgt

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