Quellen zur Geschichte des WF – Folge 2 – das Archiv der Fotostelle des WF

Quellen zur Geschichte des WF – Folge 2 – das Archiv der Fotostelle des WF

Das Archiv der Fotostelle des WF

Zu den Objekten, die 2009 vor dem Müllcontainer gerettet wurden und im Industriesalon untergebracht sind, gehören auch diverse stählerne Archivschränke mit Negativen aus der ehemaligen Fotostelle des WF, die im Mai 1990 geschlossen worden war, und auch wie andere Sammlungsobjekte aus dem „Museum im Turm“ zu Samsung-Zeiten eingelagert worden waren.

Diese Fotostelle war schon 1945 für das LKVO eingerichtet worden und befand sich auf dem Werksgelände. Zu der Fotostelle gehörten ein Fotostudio und ein Fotolabor, in dem die Filme entwickelt und die Abzüge hergestellt wurden. Der Fotograf der Fotostelle (zeitweise waren auch mehrere Fotografen dort tätig), hatte verschieden Aufgabenfelder. Ein wichtiger Bereich war die Produktfotografie. Ihm oblag es, neuentwickelte Geräte in allen Details aufzunehmen, am besten jeden Einschub und jedes Bauteil extra. Auftraggeber waren hier Ingenieure und Entwickler des OSW/HF/WF, die diese Fotos für ihre Forschungs- und Entwicklungsberichte und/oder Bedienungsanleitungen  brauchten. Ein weiterer Auftraggeber für Produktfotografien war die Werbeabteilung des WF, die Fotos für ihre Kataloge brauchte. Kleinere Geräte wurden im Fotostudio aufgenommen, größere an ihrem Standplatz in den Werkräumen.

Für die Produktfotografie verwendete die Fotostelle in den 1940 Jahren häufig Glasnegative, in den 1950er und frühen 1960er Jahren Planfilm in den Formaten 13×18 und 9×12, manchmal auch 18×24, ab Mitte der 1960er Jahren dann vorwiegend 6×6-Rollfilm.

Neben der Produktfotografie gehörte es in die 1960er Jahre hinein auch zu den Aufgaben des Fotografen, gesellschaftliche Ereignisse im Werk zu fotografieren, sei es die Weihnachtsfeier für die Kinder, Betriebsjubiläen, Frauenkonferenzen, Staatsbesuch und vieles mehr. Auch die sozialen Einrichtungen wie z.B.  Betriebs-Ambulatorium, Betriebskindergarten, Kulturhaus oder die Einweihung einer Textilverkaufsstelle des Konsums wurden – zumeist – auf Kleinbildfilm festgehalten, ebenso die Ausschmückungen für den 1. Mai in den Abteilungen und vieles mehr.

Des Weiteren war die Fotostelle dafür zuständig, die Passbilder für die Dienstausweise herzustellen und Mitarbeiter zu fotografieren, die als Aktivist, ‚Beste Frau der Woche‘ oder aus anderen Gründen an den Wandzeitungen in den Abteilungen oder der Betriebszeitung geehrt werden sollten.

Und ein weiteres wichtiges Aufgabenfeld für den Fotografen war in der Ära der noch nicht vorhandenen Fotokopierer das Fotografieren von Zeitschriftenartikeln aus- oft westlichen – Fachzeitschriften für die Forscher und Entwickler im WF.

Bis Anfang 1953 scheint es keine systematische Erfassung der Negative gegeben zu haben, dann scheint der Fotograf mal in den Archivschränken aufgeräumt und alle Negative, die er finden konnte, nummeriert und auf die Hülle draufgeschrieben, was auf dem Negativ zu sehen ist, leider aber ohne chronologische korrekte Reihenfolge, sondern eher so, wie sie gerade herumlagen. Ab Februar 1953 legte er dann, um seine neuen Negative einfacher wiederzufinden zu können, eine ‚Datenbank‘ im traditionellen Stil an, in diesem Fall ein handschriftlich geführtes Findbuch, in dem Bildnummer, Aufnahmedatum, Fotobesteller und Bildtitel festgehalten wurden.  Insgesamt 5 Findbücher sind es bis 1990 geworden. Allerdings haben die Findbücher des Fotoarchivs einen kleinen Schönheitsfehler: Sie sind schwer lesbar, da nicht nur in deutscher Kurrentschrift verfasst, sondern auch noch mit einer sehr individuellen Handschrift. Obwohl bis Anfang 1980 mehrere Personen Einträge ins Findbuch vorgenommen hatten, scheint ein wesentliches Auswahlkriterium, wer das durfte, gewesen zu sein, dass der/diejenige eine mindestens genauso unlesbare Handschrift wie der Leiter der Fotostelle, der Fotograf Hans-Joachim Köhler selbst hatte.  Insgesamt vier Personen waren im Rahmen der Digis-Projektförderung 2019 mit der Transkription der Findbücher beschäftigt.

Der letzte Eintrag im 5. Findbuch, datiert auf den 7. Mai 1990, trägt die Nummer 311384, allerdings wurde 1986 die Art der Nummernvergabe geändert, ob absichtlich oder aus Versehen, ist nicht mehr nachzuvollziehen, genaugenommen müsste es die Negativnummer 32384 sein.

Wie viele Negative von den ursprünglich gut 32.000, die im Zeitraum August 1946 bis zum 7. Mai 1990 angefertigt wurden, noch vorhanden sind, wissen wir noch nicht genau. Wir stecken noch immer in der Aufarbeitung. Wir wissen bisher nur, dass rd. 5000 Negative in der 2. Hälfte der 1950er und 1960 Jahre zusammen mit den entsprechenden Produktionszweigen an andere Werke wie z. B. das Funkwerk Köpenick oder das 1960 gegründete VEB Meßelektronik abgegeben wurden.  Schönerweise haben wir für die Foto, die zwischen Februar 1953 und August 1959 angefertigt wurden, ein „Back-up“ in Form von Aktenordnern mit zahlreichen Blättern, auf die als Referenz jeweils ein Abzug aufgeklebt worden war, so dass wir auch die Fotos haben, deren Negative weggegeben werden mussten.

Aber leider gibt es auch nach August 1959 Lücken im Negativbestand, wobei wir dann nur dem Findbuch entnehmen können, was da thematisch fehlt.

Dank der finanziellen Förderung durch die Senatsverwaltung für Kultur und Europa, der Betreuung durch Digis, dem Dienstleiter „Die Kulturgutscanner“ und des Fleißes mehrerer Projektmitarbeiter konnte der Industriesalon bisher über 6500 Bilder digitalisieren, mit Metadaten versehen und auf museum-digital einstellen.

Dieses Fotoarchiv ist eine wichtige Quelle für die Geschichte des WF (und Ost-Berlins und der DDR). Es dokumentiert es Forschung und Entwicklung im Bereich Elektrotechnik, speziell Nachrichtentechnik und Elektronik (Entwicklung und Anwendung) in 0st-Berlin nach 1945 und demonstriert deutlich, dass Berlin auch nach 1945 eine Forschungsstätte der Elektrotechnik blieb, wenn auch vielleicht nicht mehr so innovativ wie vor 1945. Des weiteren zeigt es die Spezialisierung des WFs und den Ausbau zum alleinigen Produzenten von Bildröhren in der DDR, und, was auch sehr wichtig ist, es bringt uns den Berufsalltag der Menschen im Werk, ihre Arbeit und die Arbeitsbedingungen, vor allem in den ersten Jahrzehnten der DDR, nahe.

 

2 Comments

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