Quellen zur Geschichte des WF – Folge  1 – die Betriebszeitschrift

Quellen zur Geschichte des WF – Folge 1 – die Betriebszeitschrift

„Alles für die Stärkung der ökonomischen Grundlagen der DDR, damit sie ihre geschichtliche Aufgabe im Kampf um die Sicherung des Friedens, für den Sozialismus in der DDR und für die Zukunft Deutschlands erfüllen kann!“ [1] Motto des „Handbuch für Betriebszeitungs-Redakteure“ (1962)

Die Betriebszeitungen als Organe der Betriebsparteiorganisationen dienten genauso wie alle anderen Presseerzeugnisse, allen voran das „Neue Deutschland“ der Propagierung der Ideen und Ziele der SED, sollten aber, um die Werktätigen in dem jeweiligen Betrieb zu erreichen, dabei an die Erfahrungen und Lebenswelt der Betriebsangehörigen anknüpfen und sich als ‚ihr‘ Sprachrohr präsentieren.

Wichtigste Aufgabe einer Betriebszeitung war es, „Durch die Steigerung der Arbeitsproduktivität und die allseitige Durchsetzung des wissenschaftlich-technischen Höchststanden im Betrieb durch die Senkung der Selbstkosten und die Erhöhung der Qualität der Erzeugnisse die materiell-technische Basis für den Sieg des Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Repubik schaffen zu helfen.“ Damit eng verzahnt war die „Förderung der sozialistischen Gemeinschaftsarbeit“ und die Formung „des neuen Menschen der sozialistischen Epoche“ .[2]

Außerdem sollte den Betriebsangehörigen die große Politik der SED nahegebracht werden durch Artikel über die Außen- und Innenpolitk, die weitgehend auch sprachlich die Diktion der SED übernahmen. Zu den Aufgaben der Betriebszeitung gehörte es daher auch – vor allem vor dem Bau der Mauer -, der Belegschaft immer wieder einzuzuhämmern, wie schlecht Arbeiter in der BRD und in West-Berlin behandelt würden, wie schlimm der bundesdeutsche Imperialismus wäre und wie toll die sozialen Leistungen für die Werksangehörigen der DDR wären, um zu verhindern, dass qualifizierte Facharbeiter in die BRD abwanderten.

Um die Leser bei der Stange zu halten – und sie zum ‚sozialistischen Menschen‘ zu erziehen, gab es auch Unterhaltungsseiten mit Kreuzworträtseln, Schachanweisungen, Sportberichten, Filmbesprechungen, Informationen zu Veranstaltungen des Kulturhauses etc.

Ehrenamtliche aus den verschiedensten Abteilungen des Werks, sogenannte ‚Volkskorrespondenten‘, sollten für das notwendige ‚Lokalkolorit‘ sorgen, um den Lesern den Eindruck zu geben, dass diese Zeitung von ihren eigenen Kollegen verfasst wurde, um ihr – und der darin enthaltenen Parteipropaganda – eine größere Realitätsnähe zu geben. Spezielle Frauen- und Jugendredaktionkollektive sollten sicherstellen, dass sich auch diese Zielgruppen von der Betriebszeitung angesprochen fühlten.

Die Zeitungsdatenbank ZDB nennt insgesamt rund 625 verschiedene Betriebszeitungen in der DDR. Im Zeitraum von 1987 bis 1989 gab es noch 238, eine davon war die Betriebszeitung des Werks für Fernmeldewesen/ für Fernsehelektronik (WF), der ‚WF-Sender‘.

Auch wenn diese Betriebszeitungen Organe der SED-Betriebsparteiorganisationen (BPO) waren und deren Interessen propagierten und Einfluss auf die Betriebsangehörigen nehmen sollten, so geben sie dennoch einen wertvollen Einblick in das Leben in den Werken, in die Arbeitsbedingungen, die Arbeitsatmosphäre und die ständig wiederkehrenden Probleme wie z. B. Materialmangel oder Kollegen-Missgunst.

Wie stark die Wirkung auf die Belegschaft war, ist schwer abzuschätzen. Von Zeitzeugen aus dem Werk für Fernsehelektronik (WF) wissen wir, dass spätestens ab den 1970er Jahren häufig Exemplare kostenfrei in der Kantine auslagen und viele die Betriebszeitung in die Hand nahmen, und sei es nur, um die Sportnachrichten zu lesen.

Man muss sich natürlich bei der Lektüre bzw. Auswertung dieser Betriebszeitungen immer bewusst sein, dass sämtliche Informationen und Darstellungen durch die Sicht, Interessen und Ziele der BPO gefiltert waren, dennoch stellen diese Betriebszeitungen eine interessante und informative sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Quelle zur Geschichte vieler großer Betriebe in der DDR dar. Daher ist es verwunderlich, dass diese Quellengattung so wenig in der historischen Forschung bisher berücksichtigt worden ist.
Vielleicht lag es auch daran, dass sie bislang nicht so einfach zugänglich war. Neben den Bestandskatalog, der in der Zeitschriftendatenbank aufgelistet ist, befinden sich auch noch etliche Betriebszeitungen in den Sammlungen von vereinsbetriebenen Museen, die von engagierten Werksangehörigen gegründet worden waren, um Material aus den Werken vor dem Müllcontainer zu retten, als nach der Wende viele der DDR-Betriebe entweder ganz den Betrieb einstellten oder modernisiert wurden. Als Beispiel sei hier die Betriebszeitung des Stahlwerks Brandenburg „Roter Stahl“ im Industriemuseum Brandenburg an der Havel oder der “WF-Sender“ im Industriesalon Schöneweide genannt. Aber bis vor kurzem lag keine digital vor. Dank der finanziellen Förderung des Berliner Beauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (BAB) konnte der Industriesalon Schöneweide die in seiner Sammlung befindlichen Betriebszeitungen „WF-Sender“ und „Der Trafo“ digitalisieren lassen und beide auf museum-digital der interessierten Öffentlichkeit zugänglich machen.

Die Betriebszeitung ‚WF-Sender‘ erschien ab Dezember 1949, zunächst unter dem Titel HF-Sender, ab 1955 WF-Sender, wohl um Verwechslungen mit dem technischen Gerät zu vermeiden. Im Juni 1990 wurde die letzte Ausgabe des WF-Senders veröffentlicht. Bis Ende 1989 wurde im Impressum die SED-Betriebsparteiorganisation des WF als Herausgeber der Zeitung genannt, in den 13 Ausgaben, die 1990 noch erschienen, gibt es erst wieder ab Mitte März ab Nr. 6/1990 einen offiziellen Herausgeber, den VEB Werk für Fernsehelektronik Berlin. Leider fehlt der Jahrgang 1953.

Die Formate wechselten in den 40 Jahren, mal erschien die Zeitung wöchentlich, phasenweise auch nur alle zwei Wochen, mal umfasste sie 4, mal 8 und manche Sonderausgabe sogar 12 oder 16 Seiten.

Der „WF-Sender“ wurde in dem „Handbuch für Betriebzeitungs-Redakteure“ immer wieder als vorbildhaftes Beispiel angeführt, was nicht verwunderlich ist, da Margarete Diegeler, die an erster Stelle als Mitarbeiterin des Handbuchs genannt wurde, 1961 bis Mitte 1963 leitende Redakteurin des WF-Senders war. Insofern stellte der WF-Sender zumindest in diesen Jahren das Ideal einer Betriebszeitung dar.

„Der Transformator“, später „Der Trafo“ war die Betriebszeitung des Transformatorenwerks Oberschöneweide (TRO). Auch hier hatten diverse Ausgaben (bis auf die Jahrgänge 1955, 1956 und 1973) ihren Weg in den Industriesalon Schöneweide gefunden und konnten auch digitalisiert werden, so dass der Leser nun besser beurteilen kann, inwieweit es bei aller Parteigängelei auch im Ermessen der Redaktionen gestanden hatte, wann und in welcher Form sie von der SED vorgegebene oder gewünschte Inhalte in die Zeitung aufnahmen. Frei von ideologischen und inhaltlichen Vorgaben, die alle Zeitungen der DDR aufnehmen mussten, waren sie sicher nicht, aber sie scheinen dabei doch einen gewissen Gestaltungsspielraum gehabt zu haben.

[1] Verband der Deutschen Journalisten, Handbuch für Betriebszeitungs-Redakteure, unter Mitarbeit von Margarete Diegeler u.a., Redaktionskommission: Gisela Breuch u.a., 1962, S. 5. Ein Exemplar befindet sich im Industriesalon Schöneweide.
[2] Ebd., S.109

Kommentar verfassen

Entdecke mehr von WF-Museum

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen