Fundstücke aus dem Landesarchiv Berlin, Folge 3

Fundstücke aus dem Landesarchiv Berlin, Folge 3

Aufräumarbeiten im FAO

Rudolf Müller, 1950-1956 Direktor des Werks für Fernmeldewesen, berichtet in einer weiteren Folge zur Betriebsgeschichte, die Anfang August 1989 erschien: „Wir waren eine kleine Schar von sieben Mann, die in den Maitagen 1945 nach Beendigung des II. Weltkrieges, den damaligen Zweigbetrieb des AEG-Konzerns, die FAO wieder betraten. Von den Nazis zum Wehrunwürdigen erklärt, hatte ich in den letzten Kriegsjahren in diesem Werk arbeiten müssen. […] Als wir am 10. Mai 1945 den Betrieb betraten, galt unsere erste Aktion der Sicherstellung der Personalkartei. Unsere Vermutungen wurden bestätigt, die braunen und schwarzen Mordgesellen hatten Kaderunterlagen gefälscht. Aus den größten Schindern und Schlägern hatte man auf dem Papier Hitlergegner, Kommunisten und KZ-Häftlinge gemacht. Diese Banditen sollten untertauchen, um zu gegebener Zeit weiter zu wühlen und zu sabotieren. Wir kannten viele von ihnen und sorgten dafür, dass sie ans Licht gezogen wurden und dass sie ihre verbrecherische Tätigkeit nicht fortsetzen konnten. Natürlich ging von Anfang an unser Bestreben dahin, die Produktion wieder in Gang zu setzen und vielen Menschen die Möglichkeit zu geben, sinnvolle Arbeit zu leisten.“[1]
Nach dieser Darstellung waren es also die aufrechten Kommunisten, die das Unternehmen wieder in Gang bringen wollten -allerdings eben erst nach der Sicherstellung der Personalkartei. Offensichtlich waren aber auch andere daran interessiert, dass das Werk wieder den Betrieb aufnehmen konnte, denn in dem bereits zitierten Fragebogen vom 9.5.1945 wurden auch folgende Fragen gestellt: „Zu wieviel Prozent ist das Werk z. Zt. betriebsfertig? Dauer der Aufräumarbeiten und Zahl der dazu benötigten Arbeiter? Wann kann Wiederaufnahme des Betriebes oder von Teilen erfolgen?“ Worauf Walter Zimmermann, der seit dem 20.4.1945 von der AEG mit der Leitung des FAO beauftragt war, nur antworten konnte, dass er es nicht wisse, da er den Zustand des Werks seit der sowj. Eroberung Berlins nicht kenne. Während nämlich Müller und die anderen 6 Aufrechten schon am 10. Mai das Werksgelände betreten durften, verwehrte der sowj. Werkkommandant den leitenden Angestellten des FAO noch bis Ende Mai den Zutritt.[2]
Am 22. Mai wurde Zimmermann zu einer Besprechung mit dem sowj. Oberstleutnant Michailow ins TRO geladen und von diesem intensiv über KWO, RFO und FAO ausgefragt. Nachdem ihn Zimmermann ausführlich mit den gewünschten Informationen versorgt hatte, fragte der Oberstleutnant ihn, „ob sein Betrieb in nächster Zeit wieder produktionsfähig sein könnte,“ worauf Zimmermann erwiderte, „dass, sowie die dringendsten Säuberungs- und Instandsetzungsarbeiten bewältigt wären, mit der produktiven Arbeit begonnen werden könnte. Licht und Strom ließen sich schnellstens beschaffen. Zu diesen Aufräumungsarbeiten bewilligte Oberstlt. M. allerdings nur 2 – 5 techn. Angestellte und 5 Arbeiter.  (Die geringe Anzahl begründete er mit Verpflegungsschwierigkeiten).
Alsdann wurde über eine Telefonanlage innerhalb der verschiedenen Betriebe der AEG in Oberschöneweide verhandelt, die in kürzester Zeit angelegt werden soll. Schließlich wünschte Oberstlt. M. eine Fühlungnahme mit den jetzigen Leitern der KWO, RFO und FAO und setzte eine Besprechung mit diesen Herren auf Donnerstag, den 24. Mai fest.
Auf Direktor Z’s Frage, ob ihm ein Betreten des AEG Geländes gestattet werden könnte, um über die noch vorhandenen Bestände, den Zustand der Gebäude und Maschinen etc. einen Überblick zu gewinnen, verwies Oberstlt. M. auf Major Serdütschenko, der für diese Angelegenheiten zuständig wäre, und mit dem eine diesbezügl. Besprechung am 23. resp.  24. Mai stattfinden soll.“[3] Leider ist kein Bericht über das folgende Gespräch mit Major Serdütschenko überliefert, aber spätestens am 28. Mai 1945 übernahm Zimmermann im FAO wieder die Leitung und verteilte erst einmal an verschieden Gruppen Arbeitsaufträge.
Offensichtlich hatten Rudolf Müller und seine Kollegen es bei ihrem Besuch sehr eilige gehabt und im Personalbüro ein ziemliches Chaos hinterlassen, den zwei Frauen wurden „für das Auflesen  und Sammeln von Personalkarten, Gehalts- und Lohnkarten“ eingeteilt. „Die Personalunterlagen sind im 2. Stock zu sammeln.“[4]
Unter Leitung von Oberingenieur Fricke, dem späteren ersten Werkleiter des NEF, waren „die Unterlagen für die Fertigung unserer Geräte zusammenzustellen. Hierfür ist bis heute Abend zu berichten, welche Zeit und welche Leute hierfür benötigt werden.“[5]
Eine andere Gruppe sollte den Instrumenten-Keller am Aufgang 7 aufräumen und eine Liste der dort befindlichen Instrumente aufstellen, eine andere Gruppe wurde damit beauftragt, tragbare Messgeräte und Messinstrumente aus dem Bunker in einen abschließbaren Raum in der 2. Etage zu bringen und eine entsprechende Liste anzufertigen. Eine andere Gruppe sollte die größeren Messgeräte auch in den 2. Stock bringen und die Instrumente, die durch die Feuchtigkeit Schäden erlitten hatten, in einen gesonderten Raum stellen.
Wieder eine andere Gruppe war für die Überprüfung der Lichtanlagen und der Fahrstühle zuständig und sollte am Abend über den Zustand der Anlage berichten.
Der Werkschutz sollte alle Wasserhähne überprüfen und alle Feuerlöschgeräte einsammeln und an den dafür vorgesehen Stellen wieder anbringen. Außerdem wurde der Leiter des Werkschutzes in die Pflicht genommen, alle Schlüssel zu verwahren, morgens im 9.00 Uhr den jeweiligen Arbeitstrupps entsprechende Schlüssel auszuhändigen und abends sicherzustellen, dass alle Türen wieder abgeschlossen  wurden.
An diesem ersten Arbeitstag hatten die Gruppenführer der jeweiligen Arbeitstrupps um 18.00 Uhr persönlich in Gegenwart von Major Serdütschenko einen Bericht über ihren Arbeitstag abzuliefern.[6]
Am 30. Mai wurden 5 Werkschutzleute, die als unbedenklich eingestuft wurden, für den Feuerschutz eingeteilt.[7]
Anfang Juni hatte sich auch der sowj. Werkkommandant des FAO im Behrensbau eingerichtet, denn am 9. Juni bat Zimmermann die Telefonzentrale des KWO, eine Wechselsprechanlage zwischen dem Arbeitszimmer des KWO-Kommandanten im kleinen Verwaltungsgebäude am Tor 2 und dem FAO-Kommandanten im Zimmer 410 eine Wechselsprechanlage einzurichten. [8] Das Werk war offensichtlich nun weitgehend aufgeräumt und die Arbeit konnte beginnen.
(Fortsetzung folgt)

Das Foto stammt aus dem NEF-Album vom Mai/Juni 1946 und zeigt das wieder aufgeräumte Archiv der technischen Unterlagen.

 

[1] WF-Sender Nr. 31/89, Seite 3

[2] Vergl. „Nachtrag zu den Fragen vom 9.5.1945“, in: LAB, Rep. C404, Nr.3.

[3] Bericht Zimmermanns über dieses Treffen an die AEG-Leitung,

[4] Arbeitsplan Büro vom 28.5.1945, in: LAB, Rep. C404, Nr.3.

[5] Arbeitsplan Unterlagen vom 28.5.1945, in: LAB, Rep. C404, Nr.3.

[6] Vergl. Arbeitspläne für den 28.5.1945, in: LAB, Rep. C404, Nr.3.

[7] Vergl, Schreiben von Werkschutzleiter Buhl vom 30.5.1945, in: LAB, Rep. C404, Nr.3.

[8] Vergl. Schreiben von Zimmermann an RUFF, KWO-Telefonzentrale, vom 9.6.1945, in: LAB, Rep. C404, Nr.3.

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