Fundstücke aus dem Landesarchiv Berlin, Folge 10

Fundstücke aus dem Landesarchiv Berlin, Folge 10

Letzte Vorarbeiten vor dem Startschuss

Während diskutiert wurde, was das NEF, das im 1. und 2. Stock im Behrensbau unterkommen sollte, alles an Maschinen und Personal brauchte, wurden im September munter mit Genehmigung des sowj. Werkskommandanten im 5. und 6. Stock die Heizkörper und sowohl dort als auch im 4. Stock die Stromverteiler demontiert. An eine Expansion des NEF wurde offensichtlich nicht gedacht.[1]

Während Fricke & Co. noch immer auf den offiziellen Startschuss warteten, mussten ganz praktische Dinge geregelt werden, z.B. wie viele Kohlen für die Heizung im 1. und 2. Stock des Behrensbaus gebraucht würde, vorausgesetzt, dass auch Erdgeschoss und 3. Stock zur Not etwas mit geheizt werden konnten. Errechnet wurden 1000 t, die beim Bezirksbürgermeister, nicht bei der sowjetischen Besatzungsmacht, beantragt werden mussten.[2]  Im September konnte dann aber gemeldet werden, dass das Bezirksamt den Kohlenantrag an die Zentralkohlenstelle weitergeleitet worden. Allerdings musste noch der 2. Heizkessel, da er schon teilweise demontiert worden war, im Kesselhaus repariert werden, das in sowjetischer Hand war, aber sowohl für das Beheizen von NEF als auch LKVO zuständig war. Die Reparaturkosten teilten sich dann auch NEF und LKVO.[3]

Fricke und Steimle verhandelten auch über eine Flurbereinigung im Behrensbau durch Raumtausch, aber auch wenn die Herren sich einig geworden waren, kam das Projekt nicht voran, da der sowjetische Kommandeur des gesamten NAG-Geländes nicht mitspielte.
Sowohl LKVO als auch NEF hatten an diesen sowjetischen Kommandeur der NAG  Miete zu bezahlen. Wie hoch die Miete 1945/1946 war, ist leider den Akten nicht zu entnehmen. Für 1947 veranschlagte das NEF eine Jahresmiete von rd. 225 000 RM für eine Nutzfläche von 28105 qm.[4]

Bereits zum 31. August war eine Aufstellung des Personals erfolgt, das vom FAO in das neue NEF übernommen werden sollte. Fricke übergab aber auch eine Liste von Namen, die weder im NEF noch bei der Demontage gebraucht und daher freigestellt werden sollten.

Des Weiteren versucht man auch noch, weitere Fachkräfte in Berlin anzuwerben, allerdings gab es da Probleme, wenn die aus dem amerikanischen  Sektor stammten. So verweigerte das Arbeitsamt Britz die Genehmigung der Anstellung eines in Britz wohnender Härtemeister beim NEF mit der Begründung, dass demnächst von der amerikanischen Militärkommandantur das Verbot erlassen werden, Arbeitskräfte in den sowjetischen Sektor abzugeben. Für Fricke und Kluge war das sehr Besorgnis erregend. „Insbesondere wird es so gut wie unmöglich sein, Entwicklungspersonal, das fast ausschließlich im Süden und Westen Berlins wohnt, nach Schöneweide zu bekommen. Infolgedessen wäre die Besetzung der Sachgebiete Telegrafie und Vermittlungstechnik völlig in Frage gestellt.“ [5]

Ein weiteres Problem, das geklärt werden musste, war die Beschaffung von Fahrzeugen. So hatte die FAO versucht, einen PKW von der AEG auszuleihen, was daran scheiterte, dass keine Bereifung für den Wagen aufzutreiben war. Oberstleutnant Golubzow versprach, welche zu organisieren. Auch sollte endlich der dem FAO gehörende LKW repariert werden, auch darum wollte sich der Oberstleutnant kümmern. [6]

Kluge wurde mehrmals gedrängt, endlich einen Arbeitsplan für die Entwicklungsabteilung vorzulegen, wobei weder klar war, wie viel Personal eingestellt werden durfte noch, wie viele der Siemensianer denn nun untergebracht werden sollten und was sie konnten. 40% des Personals sollte in der Entwicklung arbeiten und 60% in der Produktion.[7]

Was im August aber fertiggestellt wurde, war die Planung des Gesamtetats des Technischen Büros „NEF“, der im September noch auf die Genehmigung der sowjetischen Vorgesetzten wartete. In diesem Etat wurde von einem Auftragsvolumen in Höhe von 8 Mio. RM ausgegangen. [8]

Eine am 11. Oktober verfasste Aufstellung von zusätzlich benötigten Maschinen, Raum und Personal für die Herstellung von jährlich 50 EW-Telefonie-Geräten ( Geräte für die Hochfrequenz-Telefonie längs Hochspannungsleitungen für Kraftwerke) zeigt, dass es nicht nur um eine Werkstatt ging, in der neu entwickelte Konstruktionen gebaut und getestet werden sollten, sondern auch von vornherein eine Produktion von ME-Geräten, für die sich die Herren Offizieren ja schon Ende Juni so interessiert hatten, geplant wurde.
Zwar gehörte zu den ersten Aufgaben, die Ende September dem NEF gestellt wurden, auch, „eine Übersicht über den Stand der Trägerfrequenztechnik für Freileitungen bei den Firmen AEG und Siemens zu entwerfen und ein[en] Vorschlag für die Systeme auszuarbeiten, die für Fertigung und Betrieb in Rußland geeignet sind“ [9], aber solange wollte man wohl doch nicht auf diese Geräte warten, bis sie in Russland gefertigt werden konnten. Ebenso wenig vertraute man wohl in den Wiederaufbau des demontierten FAO in Leningrad.

Diese 50 Geräte, 25 Endgeräte und 25 Zwischenverstärker, sollten zusammen ca. 440 000,- RM kosten und stellten ca. 6,7% des ursprünglichen Auftragsvolumens für ME-Geräte bzw. 5,5 % des gesamten Aufragvolumens dar.
Für diese EWT-Geräte würden zusätzlich 10 Arbeitskräfte (2 m/8 w) für die Vorfabrikation und Endmontage benötigt. Hinzu kamen weitere 13 Arbeitskräfte für Vorarbeiter, Prüffeld und Büro, denn wenn auch nun weniger ME-Geräte hergestellt würden, könnten nicht genügend Arbeitskräfte aus der ME-Produktion für die EWT-Geräte freigestellt werden. Außerdem würden zusätzliche Geräte und Material benötigt, dass die Geräte von bestimmten Herstellern stammten. Zusätzlich wurden zusätzlich 550 qm Raumbedarf angemeldet. Leider ist diese detaillierte Kalkulation nicht unterschrieben, sodass unklar ist, ob diese jetzt Fricke, Kluge oder Rudolf Müller verfasst hatte.

Am 17. Oktober wurde erneut eine „Aufstellung der zum Aufbau der Fabrik und des Institutes benötigten Maschinen“[10] erstellt. Über Stanzen und Pressen, Wickelmaschinen, Abschneidemaschinen, Schleifmaschinen, Schweißmaschinen, Bohrmaschinen, Automaten und Revolver, Drehbänke, Fräsmaschinen, Hobelmaschinen und sonstige Werkzeugmaschinen wurde detailliert aufgelistet, was für das Institut, also das WTB, und was für die Fabrik gebraucht wurde, und wie viele der Maschinen schon vorhanden waren. Insgesamt wurden 556 Maschinen aufgelistet, von den 84 vorhanden waren. Auffallend auch hier, dass vor allem bei den Automaten, aber auch bei anderen Maschinen der Hersteller genannt wurde, vermutlich hatte das FAO vorher diese Maschinen besessen und man hoffte, dass so die eine oder andere demontierte Maschine wieder ins Werk zurückfinden würde. Unterzeichnet war diese Aufstellung vom Fabrikationsleiter Rudolf Müller. Am folgenden Tag gab es noch eine weitere Aufstellung, diesmal ging es benötigte Maschinen-Zubehörteile[11], z.B. für die Revolverbank von der Firma ‚Loewe u. Boley‘ Spannzangen, Drehbankfutter, Stahlhalter für Seitenschlitten usw.

Bereits am 6. Oktober 1945 wurde eine „Vereinbarung zwischen der Geschäftsleitung und der Betriebsvertretung der Firma „Nachrichtentechnische Entwicklung und Fabrikation (NEF)“ verfasst, die Fricke allerdings erst Ende November unterschrieb, weil er einen Passus im Art. 1 anders formuliert haben wollte. [12]
Spätestens am 1. November dürfte das NEF offiziell seine Arbeit aufgenommen haben, denn am 3. November 1945 fand die erste Betriebsversammlung statt,[13] auf der auch neue Mitglieder in den Betriebsrat gewählt wurden.

(Fortsetzung folgt)

Das Foto zeigt eine EWT-Anlage aus dem Jahr 1953 (https://berlin.museum-digital.de/object/55353)

[1] Vergl. Protokoll der Besprechung vom 18.9.1945, in: LAB Rep. C404, Nr.77.

[2] Vergl. Protokoll der Besprechung vom 10.9.1945, in: LAB Rep. C404, Nr. 77

[3] Vergl. Protokoll der Besprechung vom 18.9.1945, in: LAB Rep. C404, Nr.77.

[4] Vergl. Aktenvermerk V 6/47, 2. Fassung, Betr. Jahresetat 1947, vom 3.2.1947, unterzeichnet von Fricke, in: LAB Rep. C404, Nr. 38.

[5] Protokoll der Besprechung a 31.8.1945, in: LAB Rep. C404, Nr.77.

[6] Vergl. Protokoll der Besprechung vom 29.8.1945, in: LAB Rep. C404, Nr.77.

[7]  Vergl. Protokoll der Besprechung vom 18.9.1945, in: LAB Rep. C404, Nr.77.

[8] Vergl.‘ Planung einer EWT- und einer Messgeräte-Fertigung im Rahmen der Fabrikation des NEF‘ vom 11.10.1045, nicht unterzeichnet, in: LAB Rep. C404, Nr.77.

[9] Anlage zu Besprechungsprotokoll Nr. 6. ‚Folgende technische Aufgaben sind als erstes zu bearbeiten‘, vom 22.9.1945, unterzeichnet von Kluge, in: LAB Rep. C404, Nr.77.

[10] „Aufstellung der zum Aufbau der Fabrik und des Institutes benötigten Maschinen“ vom 16.10.1945, unterzeichnet von Rudolf Müller, in: LAB Rep. C404, Nr.77.

[11] Vergl.“ Aufstellung der zum Aufbau der Fabrik und des Institutes benötigten Maschinen-Zubehörteile“ vom 17.10.1946, unterzeichnet von Borowsky, in: LAB Rep. C404, Nr.77.

[12] Vergl. „Vereinbarung zwischen der Geschäftsleitung und der Betriebsvertretung der Firma ‚Nachrichtentechnische Entwicklung und Fabrikation (NEF)'“ vom 6.10.1945, Übersendung des geänderten Abschnitts an Fricke, 24.11.1945 und Besprechung zwischen deutscher Geschäftsleitung und Betriebsausschuss am 8.11.1945, in: LAB Rep. C404, Nr. 4.

[13]  Vergl. Einladung zur Betriebsversammlung am 3.11.1945, vom 1.11.1945, unterzeichnet vom Betriebsratsvorsitzenden Treche, in: LAB Rep. C404, Nr. 4.

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