Aus der Geschichte des WF, Folge 5

Aus der Geschichte des WF, Folge 5

Gruppenbild mit Direktor – die Abteilungsleiter des LKVO im Frühjahr 1946 – aber nicht mehr lange

Die Sowjets ließen sich ihren Spezialisten etwas kosten. Sie bekamen Einzelverträgen mit für die damalige Zeit erstklassigen Gehältern und – was 1945/46 mindestens genauso wertvoll, wenn nicht noch wertvoller als das Gehalt war – extra Zigarettenzuteilungen, bevorzugte Lebensmittelkarten und besseres Werksessen als die „normalen“ Beschäftigten im Werk. Außerdem erhielten viele dieser Koryphäen auf ihrem Forschungsgebiet bevorzugt Wohnungen in den Köpenicker Ortsteilen Hirschgarten und Friedrichshagen.
Bei einem Gespräch im Dezember 1946 zwischen Mitgliedern von Betriebsräten in Ostberlin und dem sowj. Stadtkommandanten des sowjetischen Sektors in Berlin, Alexander Kotikow, ereiferte sich der Betriebsratsvorsitzende des OSW, Karl Hopp,  dass die „Spezialisten“ dermaßen bevorzugt würden und sich vor allem durch dies Zigarettenzuteilungen maßlos bereichern könnten.  Dies sei besonders unerträglich, da sich da auch etliche ehem. NSDAP-Genossen darunter befänden.[1] (Wen er nun speziell als ehem. PG outen wollte, bleibt unklar, da er keine Namen nannte.) Deutlich war der Unmut des SED-Genossen Hopp über die Bevorzugung dieser „Spezialisten“. Er konnte offensichtlich nicht nachvollziehen, welche Vorteile die Sowjets darin sahen, diese Experten, darunter viele aus der Forschungsabteilung von Telefunken, im LKVO/ OSW zu versammeln. Der Begriff „intellektuelle Reparation“ war ihm fremd.

Den Russen war aber klar, dass sie da das größte Kompetenzzentrum in Sachen Elektronenröhren und Hochfrequenztechnik gegründet hatten, und ab Mitte 1946 machen sie sich zunehmend Sorgen, dass die anderen Besatzungsmächte anfangen könnten, ihnen die Wissenschaftler abspenstig zu machen, schließlich hatte der Kalte Krieg begonnen.

Und so kam das dicke Ende für die meisten der privilegierten „Spezialisten“ des OSW am 21. Oktober 1946. Früh am Morgen bekamen sie bei sich zu Haus Besuch vom NKDW und wurden gezwungen, sich für fünf Jahre zur Arbeit in die Sowjetunion zu verpflichten. Frau, Kinder, Klamotten und Hausrat durften sie mitnehmen, allerdings mussten sie am Abend alle zusammen haben, denn sie und ihre Habe wurden dann auf Lastwagen verladen und zum Bahnhof gefahren, wo schon die plombierten Spezialzüge in die Sowjetunion auf sie warteten. Insgesamt traf dieses Schicksal rd. 2100 „Spezialisten“, aber auch Techniker und Facharbeiter, aus der gesamten sowjetischen Besatzungszone, die im Kontext der gut vorbereiteten Aktion Ossawakim zwangsverpflichtet wurden. Aus dem OSW waren es rd. 230, die die Reise in die Sowjetunion antreten mussten. Jetzt rächte es, die schönen Wohnungen in Hirschgarten und Friedrichshagen angenommen zu haben … Glücklich, wer seinen Wohnsitz in einem der Westsektoren behalten hatte. So entging Walter Bruch, der spätere Erfinder des PAL-Farbfernsehsystems,  dieser unfreiwilligen Abreise in die Sowjetunion, weil er in Westberlin wohnte und ihn seine Sekretärin warnte, zu seinem Arbeitsplatz in OSW zu kommen, da würde ihn schon einige Herren erwarten, auf deren Bekanntschaft er keinen Wert legen dürfte. Direktor Karl Steimel und sein technischer Leiter Fritz Spiegel hatten es nicht so gut, obwohl auch sie beide in Westberlin wohnten. Um auf Nummer Sicher zu gehen, hatten die Sowjets sie  einige Tage vorher zu einer Besprechung nach Moskau berufen, von der sie dann eben erst 5 Jahre später wieder zurückkehren durften.

Wie viele der Spezialisten aus dem NEF, das auch in der Ostendstraße im Behrens-Bau untergebracht war, die Reise in die Sowjetunion antreten durften, ist leider nicht bekannt.

[1] Vergl. Bericht von dem Treffen mit General Kotikow,  Landesarchiv Berlin, Rep.C404, Nr.151, unpaginiert.

 

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