Und wie ging es weiter mit Anni Gent? – Frauen im WF, Folge 11

Und wie ging es weiter mit Anni Gent? – Frauen im WF, Folge 11

Nachdem auch der Medienrummel um die ‚Gent-Mädels‘ (siehe Frauen im WF, Folge 10) 1960 abgeklungen war, wurde es medial wieder ruhig um Anni Gent.

1963 wechselte Anni den Nachnamen Gent gegen Ortmann aus. Leider ist nicht bekannt, welchen Vornamen und welchen Beruf Herr Ortmann hatte, jedenfalls dürfte er nicht aus dem WF gekommen sein. Vielleicht hieß er Heinz und hatte etwas mit der SED-Kreisleitung Köpenick zu tun? Die Leitung der Jugendbrigade hatte sie abgegeben. 1964/65 qualifizierte sie sich in einem einjährigen Jahrgang an der Betriebsschule des WF zur Meisterin[1] und arbeitete weiter im Empfängerröhrenaufbau. 1967, als die Produktion von Empfängerröhren zurückgefahren wurde, wechselte sie als Meisterin in die Abt. Gasentladungsröhre, wo sie ein 29-köpfiges Kollektiv leitete.  1976 übernahm sie eine Brigade in der Anzeigeröhren-Montage.

Insgesamt wurde sie sieben Mal als Aktivistin ausgezeichnet und die von ihr geleiteten Kollektive bekamen achtmal den Ehrentitel ‚Kollektiv der sozialistischen Arbeit‘, fünfmal den Ehrentitel der DSF sowie sechsmal den Ehrentitel für vorbildliche Ordnung und Sicherheit.[2]

Politisch machte sie weiter Karriere im Betrieb. 1964 und 1966 wurde sie in die Abteilungsparteiorganisation (APO) des Bereichs Röhrenaufbau gewählt. 1967 erfolgte ihre Wahl in die Köpenicker Kreisleitung der SED. 1969 bis 1973 war sie Mitglied der BPO.

1974 wurde sie plötzlich noch einmal interessant für die Betriebszeitung WF-Sender: Nahte doch der 25. Jahrestag der Gründung der DDR und Anni Ortmann war da schon im HF tätig gewesen und als Aktivistin ausgezeichnet worden (siehe Frauen im WF, Folge 9). So gab es einen ausführlichen Bericht über sie und ihr Leben, wobei ihr Werdegang vor allem der Lobpreisung der DDR diente: „Wir sagen wohl nicht zuviel: in dem Leben dieser Arbeiterin spiegeln sich die Richtigkeit und die Verwirklichung aller Grundsätze und Ziele unseres sozialistischen Arbeiter- und Bauern-Staates und der ihn führenden Partei wider: Uns aus dem Elend zu erlösen, können nur wir selber tun! Eine Frau, die vor fünfundzwanzig Jahren […] die damals noch spärlichen Chancen in der Arbeit nutzte, die mit dem Wachsen ihrer Aufgaben und Möglichkeiten politisch-ideologisch wie fachlich immer reicher an Wissen und Können wurde, ist heute eine allseitig geachtete Leiterin in einem unserer großen volkseigenen Werke.“[3] Was Anni Ortmann von diesem Artikel hielt, ist leider nicht überliefert.

Und noch einmal wird sie wieder zur Vorzeige-Brigadeleiterin. 1975 berichtet der WF-Sender ausführlich, wie die Arbeit in ihrem Kollektiv organsiert war: „Früh morgens spreche ich mit meinen Kolleginnen dem Tagesablauf der Lieferung und die notwendige Stückzahl der zu montierenden Systeme durch. Dabei werden auch die Fehlteile notiert. [… ] Für jede Montiererin wird täglich die Stückzahl erfasst. Diese Aussprache erfolgt zeitlich zwischen 6.30 Uhr und 7.00 Uhr. Mit dem Ergebnis dieser gemeinsamen Einschätzung treffen wir uns als Meister täglich beim Abteilungsleiter, Genossen Pelz. Das ist unsere ständige Absprache. Sie findet jeweils um 7.00 Uhr statt. Wir bilanzieren gemeinsam unseren Tagesplan an den zu liefernden Systemen. Dabei werden eventuell zu erwartende Schwierigkeiten und auftretende Störungen in der Montage vorbeugend beraten und, wenn möglich, auch behoben. […] Diese Form der täglichen kollektiven Information und Planabsprache praktizieren wir schon einige Jahren und gehört bei uns zur täglichen Leitungstätigkeit.  Unsere Kollektivmitglieder wären wohl sehr erstaunt, wenn wir diese Form, der Abstimmung mit den Kollektivmitgliedern nicht mehr durchführen würden. Ich meine, wir, als Meister schreiben so gemeinsam mit unseren Kollektiven ,Plan-Notizen‘, und die aktive Teilnahme der Kollektivmitglieder spricht für ihre Verantwortung am Gelingen der Gesamtaufgabe.“[4] Anlass für dieses Interview war wohl, dass diese Arbeitsbesprechungen nicht in allen Abteilungen so gut funktionierten. Scheinheilig fragt der WF-Sender dann auch: „Ist das ein Einzelfall“ und forderte die Leser auf, ihm ihre Erfahrungen mitzuteilen.

Mit 60 Jahren ging Anni Ortmann nach 32 Jahren im OSW/ HF/ WF am 3. Mai 1980 in Rente. Eine weitere Tätigkeit im WF scheint nicht zur Diskussion gestanden zu haben. „In Würdigung ihrer hohen gesellschaftlichen Arbeit sowie ihrer Leistungen als Meister und bei der Festigung der sozialistischen Kollektive“[5] wurde sie am 1. Mai 1980 mit dem „Vaterländischen Verdienstorden in Silber“ ausgezeichnet. Ob sie sich selbst als Rentnerin weiter an ihre 1974 im WF-Sender zitierten Aufforderung an die Jugend „Strebt ständig nach viel und gediegenem Wissen. Das bringt nicht nur uns allen und unserer Deutschen Demokratischen Republik größere Erfolge, das erhöht auch unsere Freude am Leben!“[6] hielt, ist nicht bekannt.

Abbildung: WF-Sender Nr. 36, 2.10.1970, S. 6.

[1] Vgl. WF-Sender Nr. 36, 2.10.1970, S .6.
[2] Vgl. WF-Sender Nr. 18, 2. Maiausgabe 1980. S. 3.
[3]  WF-Sender Nr. 16, Aprilausgabe 1974, S. 4.
[4] WF-Sender Nr. 37, 3. Oktoberausgabe 1975, S. 4/5.
[5] WF-Sender Nr. 18, 2. Maiausgabe 1980. S. 3. 
[6] WF-Sender Nr. 16, Aprilausgabe 1974, S. 4.

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