Quellen zur Geschichte des WF – Folge  3 – Forschungs- und Entwicklungsberichte aus dem OSW/HF/WF

Quellen zur Geschichte des WF – Folge 3 – Forschungs- und Entwicklungsberichte aus dem OSW/HF/WF

Die Sammlung „Forschungs- und Entwicklungsberichte“

Neben den Universitäten fiel in der DDR ein großer Teil der Forschung und Entwicklung von Produkten in den Augabenbereich der großen Industriebetriebe. Auch das WF unterhielt eine große Forschungs- und Entwicklungsabteilung, die mehrmals die Bezeichnung wechselt.
War 1945/46 klar, dass der Schwerpunkt des LKVO die Forschung und nicht die industrielle Produktion  war, weshalb es keinen gesonderten Namen für die Forschungsabteilungen gab, wurde ab 1948, als die Sowjets mehr auf industrielle Massenfertigung und Rentabilität drängten, die Abt. zunächst den Zusatz „Entwicklung und Versuchsfertigung“. Ab 1949 hieß dann der gesamte Forschungsbereich ‚Versuchswerk‘, die einzelnen Abt. wurden als ‚Labore‘ bezeichnet und 1952 übernahm der aus der Sowjetunion zurückgekehrte Dr. Kurt Richter die Leitung aller Betriebslaboratorien, die einen Unterbereich im ‚Direktorat Technik‘, dessen Direktor Dr. Alfed Schiller war, darstellten.
1962/63 erfolgte eine Umorganisation, das ‚Direktorat Technik‘ wurde von Horst Kreßner, ab 1973 Werkleiter des WF, übernommen, während Alfred Schiller Entwicklungsdirektor wurde. Der Begriff Labor verschwand aus den Namen der Eintwicklungsabteilungen. 1967 wechselte das ‚Direktorat Entwicklung‘ den Namen in ‚Direktorat Forschung‘ und 1971 wurde es zum ‚Direktorat Forschung und Entwicklung‘,  weiterhin unter der Leitung Schillers. Nach Schillers Pensionierung 1974 wurde Rudolf Fuchs Direktor für Forschung und Entwicklung, Forschungsleiter war von 1969 bis 1981 Prof. Dr. Klaus Thiessen. In den 1980er Jahren wurde das Direktorat noch einmal umbenannt, nun Direktorat für Forschung und Technologie‘, weiter unter der Leitung von Fuchs.

Das WF hatte eine recht große Forschungsabteilung, in der auch renommierte Wissenschaftler arbeiteten. Aber das Werk konnte kaum selbst entscheiden, in welchen Bereichen es forschen wollte. Anders als in den kapitalistischen Ländern, in denen die Industriebetriebe weitgehend selbst entscheiden konnten, in welche Forschungen sie investierten, beschloss dies in der DDR der Staat, und das Ministerium für Wissenschaft[1] stellte den Betrieben die Planaufgaben. Dieses System, Planaufgaben für die Industriebetriebe festzulegen, hatten die SAGs auch schon in ihren Werken seit 1946 eingeführt.

War solch eine Planaufgabe abgeschlossen, wurde das Ergebnis in einem Forschungs- und Entwicklungsbericht festgehalten und dann entschieden, ob die Forschung abgeschlossen,  weitergeführt oder das Forschungsergebnis für die Produktion genutzt werden sollte.

Im Industriesalon sind über 2000  Berichte aus dem ehem. Bestand des Werks für Fernsehelektronik erhalten. Dieser Bestand ist relativ einmalig. Zwar haben auch andere Großbetriebe in der DDR, die Forschung betrieben, solche Berichte angefertigt, aber die meisten Berichte haben entweder die Nachwendezeit nicht überlebt oder sind in Archiven verschwunden, in denen sie noch nicht archivalisch bearbeitet wurden und schon gar nicht online recherchierbar sind. Leider sind auch von den im Industriesalon vorhanden erst 69 Berichte auf md teilweise digital einsehbar, aber zumindest gibt es auf der Webseite https://www.industriesalon.de/vor-ort-archiv/ eine Titelübersicht, die dankenswerterweise von Herrn Peter Salomon inhaltlich gegliedert wurde.

Die Sammlung „Forschungs- und Entwicklungsberichte“ enthält nicht nur die FEBs, sondern auch Bestandsaufnahmen, Machbarkeitsstudien, Überleitungen in die industrielle Fertigung, Beschreibungen und Bedienungsvorschriften für neuentwickelte Maschinen u.ä.  Alle Berichte sind maschinenschriftlich, mit Kohlepapier oder Ormigdruck vervielfältigt und nicht für den Druck vorgesehen. Häufig wurden für die FEBs Berichte bei der Entwicklung von neuen Geräten Fotos von den Prototypen in der Fotostelle in Auftrag gegeben und die Abzüge per Hand in die Exemplare des FEBs eingeklebt. Kurven u.ä. wurden in der Lichtpauserei vervielfältigt.

Diese FEBS spiegeln nicht nur die Entwicklung der Produktionspalette des WFs als elektrotechnischer Produktionsstandort in Ostberlin und die technische Entwicklung in der DDR im Bereich Nachrichten- und Sendetechnik wider, sondern auch die Wirtschaftsgeschichte der DDR im Allgemeinen, vor allem die Probleme, mit denen die Produktion durch Devisenmangel, Cocom-Boykott und die Verflechtungen mit dem sozialistischen Ausland zu kämpfen hatte. Häufiges Thema war der Ersatz von teuren oder schwer zu beschaffenden Rohstoffen, z.B. „Ersatz für Vergoldung der Gitterdrähte durch andere Werkstoffe und Verfahren“ vom Dezember 1953 (FEB-008-0095). Für die ständigen Nöte durch Devisenmangel sei stellvertretend das Schicksal der Ergebnisse des Forschungs- und Entwicklungsberichts „Untersuchung der Magnesium-Diffusion in Nickelkatoden“ vom September 1960 (FEB-008-0053) genannt, in dem vermerkt wird, dass die Forschungen eingestellt werden: „Mg-28 kann z.Z. nicht beschafft werden, da die erforderlichen Devisen für die Einfuhr nicht zur Verfügung stehen.“

Die FEBs behandelten die verschiedensten Themen. In den ersten Jahren der SAG ging es vor allem um Entwicklungen bzw. Nachbauten für die Sowjets, wie z.B. folgende Titel zeigen: „Meßeinrichtung zur Bestimmung des Röhreneingangswiderstandes („Re-Meßgerät“) – Beschreibung und Bedienungsanleitung“, 1947 (FEB-068-0084); „I. Impulsanalyse und Beugungsbilder; II. Einige Grundsätze der Impulsanalyse in Anlehnung an die Operatorenrechnung,“ 1946 (068/0803), „Wirkungsgrad und Lebensdauer von Magnetfeldröhren“ Okt 1946, „Projekt für ein Fern-Navigationssystem“, 1946 (068/0780), „Stahlleichtbau in der Hochfrequenztechnik – Labormeßgeräte : a) Gerätegehäuse, b) Verwendungsarten“, 1946 (068/0778), um nur eine kleine Auswahl an Berichtstiteln zu nennen.
Fernmeldetechnik blieb auch weiter ein Forschungsgebiet, so erschien 1956 noch „Entwicklung eines billigen betriebssicheren Telegrafengerätes als Ersatz für Morseschreiber und Sprechspeicher im Bahnnachrichtennetz“, (120/0113), obwohl sich da schon abzeichnete, dass die gesamte Nachrichtentechnik an andere Werke abgegeben werden und sich verstärkt auf das Fernsehen konzentriert werden sollte.
Bereits Ende der 40er bis Mitte der 50er Jahre war das Fernsehen ein wichtiger Forschungsbereich, beispielhaft seien dafür folgende Titel genannt: „Entwicklung eines Heimfernsehempfängers“, 1952 (TS 025), und „Nachentwicklung der sowjetischen Bildwiedergaberöhre (18 LK 15″), Januar 1953 (FEB-008-0142).

Bis in die 60er Jahre hinein befasste man sich mit der Entwicklung von Elektronenröhren für Fernsehkameras, wie die Titel „Entwicklung eines Superikonoskops für Fernsehkamera“, Dez 1950 (FEB-068-0312), oder „Entwicklung eines Superorthikons für den Betrieb in Fernsehstudio- und Reportagekameras“, Okt 1962 (FEB-008-0504), demonstrieren.

Auch wenn das WF seit 1960 vorwiegend auf die Herstellung von SW-Bildröhren spezialisiert war, waren auch Halbleiter ein wichtiges Produkt des WF und es gab seit 1960 ein gesondertes Dioden-Werk innerhalb des WF. So entging den Forschern auch  nicht, dass es auch in diesem Bereich technische Neuerungen gab und sie beschäftigen sich damit in ihrer Forschung, was z.B. zu folgenden Berichten führte: „Schaffung von Grundlagen zur Herstellung von Fotohalbleiterschichten“, Juni 1959 (FEB-008-0001); „Grundsatzuntersuchungen auf dem Gebiet der Nuvistortechnik“, 1963 (FEB-008-0514); „Studienentwurf zur Entwicklung von bistabilen Halbleiterbauelementen“, Dezember 1963 (FEB-008-0569), oder „Halbleitergeneratoren im Höchstfrequenzgebiet“, Dezember 1967 (FEB-008-0659).

Auch die EDV machte vor dem WF nicht halt, wie Titel wie „Rationalisierung des Lochkartenprojektes ||Kostenrechnung|| für eine Abarbeitung auf der EDVA R 3“, 1976 (FEB-008-0782), oder „Aufbau einer Datenbank technologischer Informationen“, 1976 (FEB-008-0999), zeigen.

Zahlreiche Berichte befassen sich auch mit Verbesserungen in der Produktion. Dazu gehören z.B. „Untersuchung der Möglichkeiten der Verkettung der Maschinen und des Fertigungsflusses im gesamten Bildröhrenwerk“, Aug 1963 (FEB-008-0574); „Plastwerkstoffe für Halbleiterbauelemente des WFB“, Juni 1979 (FEB-008-0862), oder „Rationalisierung und Weiterentwicklung der LCD-Technologie“, 1987 (FEB-008-1137).

Und nicht zuletzt gehörte zu den Aufgaben des WF auch die Herstellung von Konsumgütern aus Abfallprodukten des Werks. 1974 brachte das WF beispielsweise eine „Digitale Tischuhr“ (FEB-008-0979) und 1975 einen „Campingleuchte“ auf den Markt (FEB-008-0780), von beiden stehen Exemplare der Produkte im Industriesalon.

[1] Vergl. dazu http://www.argus.bstu.bundesarchiv.de/DF4-26885/index.htm?kid=6aa74d1d-a10e-46d5-bc7e-d35fc6eac63c

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