Fundstücke aus dem Landesarchiv Berlin, Folge 6

Fundstücke aus dem Landesarchiv Berlin, Folge 6

War wohl nichts mit der Fabrikationsaufnahme im FAO – stattdessen … ?

„Die FAO stellt in der Hauptsache Fernmeldeanlagen und Apparate für das Nachrichtennetz der Reichspost und Reichsbahn her. Da die FAO und die gleiche Fabrik von SH die einzigen Betriebe dieser Art sind, der Siemens-Betrieb jedoch bereits abgebaut worden ist, würde es eine schwere Schädigung für die öffentliche Nachrichtenübermittlung bedeuten, wenn auch dieser AEG-Betrieb aufgelöst würde.“[1] Die Maschinen in von S&H in Berlin-Siemensstadt, ab 4. Juli 45 zum britischen Sektor gehörend,  waren bereits im Mai 45 von der sowj. Besatzung weitgehend demontiert und in die sowj. Besatzungszone gebracht worden, so dass das FAO offensichtlich im Juni 45 noch das einzig funktionierende Werk war, dass wichtige Teile für die Fernkabelleitungen herstellen konnte. Konnte … d.h. nicht, dass es das durfte.
Nachdem Zimmermann am 22. Mai dem sowj. Oberstleutnant erst einmal genau erklärt hatte, was KWO, FAO und RFO eigentlich produziert hatten und inwiefern sie drei unterschiedliche Unternehmen darstellten,[2] herrschte erst einmal Ruhe und Zimmermann & Co. durften spätestens am 28. Mai wieder in die FAO, dort aufräumen lassen und sich einen Überblick über die noch vorhandenen und funktionstüchtigen Maschinen, Messgeräte, Werkzeuge, Halbfabrikate und Lagerbestände zu verschaffen.
Dieser Überblick war noch nicht fertig, als am 9. Juni von Major Serdütschenko die nächste Forderung zu einer genaueren Erklärung zu den verschiedenen Produkten der FAO, die Zimmermann in seiner Aufstellung vom 26. Mai genannt hatte,[3] eintraf. Zu den diversen Produkten sollten dem Major Beschreibungen übergeben werden. Daraufhin wurde in den verschiedenen Betriebslaboren und Prüffeldern nach entsprechenen Unterlagen gesucht. Noch am gleichen Tag wurden Serdütschenko folgende Unterlagen übergeben: „1 Beschreibung: Das ME-Gerät, 1 Beschreibung: Der ME-Zwischenverstärker, 1 Beschreibung: DAS WL-System, 1 Liste: Meßgeräte für die Fernmeldetechnik, 1 Druckschrift: 40 Jahre AEG-Fernsprechkabel[4] (…) für die Post- und Wehrmachtsgeräte [seien] keine Beschreibungen der AEG vorhanden, da von diesen Behörden eigene Beschreibungen angefertigt worden sind.“ [5]
Serdjütschenko gab sich mit dieser Erklärung zufrieden. Am 11. Juni verlangte er dann die Übergabe von allen Patenten des FAO und einer Aufstellung der vorhandenen Instrumente. Ferner sollten alle technischen Berichte an einer zentralen Stelle gesammelt werden.[6] Eine Aufstellung der Patente wurde am 12. Juni übergeben zusammen mit einem Begleitschreiben des Patentbüros im KWO, in dem mitgeteilt wurde, dass nur die aufgeführt seien, die nach dem 31.1.1944 bearbeitet worden waren, da alle älteren Unterlagen bei dem durch einen Fliegerangriff am 27.1.1944 verursachten Großfeuer im KWO vernichtet worden seien. Die bei der Übergabe geäußerte Vermutung, dass sich noch Unterlagen zu den Patenten in den anderen Stellen des Patentbüros der AEG, die im Krieg ausgelagert worden waren,[7] befinden könnten, scheint sich bestätigt zu haben, denn 1948, als das Areal von RFO, FAO und NAG offiziell enteignet wurde, gehörte auch eine wesentlich längere Liste von Patenten aus der Zeit von 1938 bis 1944 zu den enteigneten Unterlagen.[8]

Serdjütschenko nahm die Unterlagen und verschwindet damit aus den im Landesarchiv Berlin erhaltenen Akten des FAO. Auch der folgende Werkskommandant, Oberstleutnant Swiridow, gibt nur ein kurzes Gastspiel in den Akten, als er in einem Schreiben von Zimmermann vom 21. Juni erwähnt wird.[9]
Am 12. Juni 1945 fordert ein Kapitän Michailow genauere Angaben zu Personalbestand und Produktionszahlen der Apparate- und der Spulenfabrik. Zimmermann händigte ihm eine Personalbestandsliste vom 28.2.1945 aus. Zu den Produktionszahlen konnte er nur grob geschätzt die Umsätze nennen, für die Apparatefabrik 20 Mio Mark und für die Spulenfabrik 10 Mio Mark.[10]

Besonders die ME-Geräte erregten das Interesse sowj. Offiziere, vermutlich alles Ingenieure in Offiziersform, die auf der Suche nach deutschem Know-How war. So sollte am 28. Juni 45 eine vom FAO organisierte Informationsveranstaltung über die Weitsprechgeräte aus FAO-Fertigung informiert werden. Es ging um erstens das ME-System generell, ferner um die Geräte/ Anlagen „Rudolf (FTF 11-Gerät), Verstärker 38, Postverstärker“. Zu diesem Treffen wurden zwei ehemalige Mitarbeiter des FAO, die an der Entwicklung beteiligt gewesen waren, dazu gebeten, „um die geforderten Auskünfte, soweit sie Ihr Sachgebiet betreffen, zu erteilen“. [11]

Die Besprechung scheint das Interesse der sowj. Offiziere noch verstärkt zu haben, allerdings nicht in der Form, die sich Zimmermann erhofft hatte. Während die AEG-Hauptverwaltung Ende Juni 45 schon die Hoffnung hatte fahren lassen, die AEG als Gesamtfirma in Berlin erhalten zu können und mit einer Zerschlagung im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands rechnete, beschwor sie Zimmermann noch am 21. Juni, das Werk nicht aufzugeben. Obwohl er bereits am 11. Juni die Aufforderung erhalten hatte, alle Messgeräte und Instrumente der FAO in Kisten für einen möglichen Abtransport einzupacken,[12] hatte er immer noch gehofft, das Werk könnte erhalten bleiben und die Produktion aufnehmen.[13]
Aber schon am 30. Juni musste auch Zimmermann seine Hoffnung aufgeben. In einer Nachricht an Dir. Friebe in der Hauptverwaltung der AEG heißt es: „Die Entscheidung ist gefallen. Die FAO wird ausgeräumt. Wir beginnen am 30.6.1945 mit der Ueberstreichung der rostempfindlichen Maschinenteile.“[14] Am 3. Juli folgt die nächste Mitteilung an die AEG-Hauptverwaltung: „Heute wurde mitgeteilt, daß das Werk enteignet sei. Der Befehl hierüber wurde vorgezeigt und durch den Dolmetscher verlesen. Mit dem Ausräumen der Maschinen und Einrichtungen wird heute nachmittag begonnen.“[15]

(Fortsetzung folgt)

Das Foto eines Teils einer EWT-Anlage stammt aus dem Jahr 1953 und zeigt, dass das NEF als Nachfolger der FAO weiter EW-Telefonie-Anlagen herstellte.

[1] Betr. Bericht über einen Besuch bei der AEG-Hauptverwaltung am 31.7.1945, unterzeichnet von ???? (unleserlich), vom 2.8.1945, in: LAB Rep. C404, Nr.3.

[2] Vergl. Fundstücke aus dem Landesarchiv Berlin, Folge 3.

[3] Vergl. Fundstücke aus dem Landesarchiv Berlin, Folge 4.

[4] Es dürfte sich dabei um folgenden Sonderdruck gehandelt haben: H. Jordan, 40 Jahre AEG-Fernsprechkabel, Sonderdruck aus en AEG-Mitteilungen 1940, Heft 7/8, 16 S.

[5] Aktenvermerk: Betr.: Übergabe von Beschreibungen an Herrn Major Serdütschenko, unterzeichnet von ? (Unleserlich) vom 25.6.1945, in: LAB Rep. C404, Nr.3.

[6] Vergl. Anweisung von Serdjütschenko an Zimmermann vom 11.6.1945, in: LAB Rep. C404, Nr.3.

[7] Vergl. Bericht über Patente, unterzeichnet von Dr. Ruft, Patentbüro, vom 9.6.1945, in: LAB Rep. C404, Nr.3.

[8] Vergl. Anlage 8 zum Übergabeprotokoll, undat. (Jan.1948), in: LAB Rep.C404, Nr. 71, unpag.

[9] Vergl. Schreiben Zimmermanns an AEG Hauptverwaltung vom 21.6.1945, in: LAB Rep. C404, Nr.3.

[10] Aktenvermerk, unterzeichnet von Zimmermann, vom 18.6.1945, in: LAB Rep. C404, Nr.3.

[11] Briefe Zimmermanns an Dr. Richard Rabe und Enno Koch vom 25.6.1945, in: LAB Rep. C404, Nr.3.

[12] Vergl. Schreiben Zimmermanns an die AEG-Hauptverwaltung vom 11.6.1945, in: LAB Rep. C404, Nr.3.

[13] Vergl. Schreiben Zimmermanns an AEG Hauptverwaltung vom 21.6.1945, in: LAB Rep. C404, Nr.3.

[14] Schreiben Zimmermanns am Dir. Friebe vom 29.6.1945, in: LAB Rep. C404, Nr.3.

[15] Schreiben Zimmermanns an Fabrikenleitung/ Direktion vom 3.7.1945, in: LAB Rep. C404, Nr.3.

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