Brigadebücher im Industriesalon – Teil 3

Brigadebücher im Industriesalon – Teil 3

Obwohl von den BGL Druck zum Führen eines Brigadebuchs ausgeübt wurde und auch in den 1960er Jahren mehrere gedruckte Leitfäden erschienen waren, (allein Wikipedia listet zum Stichwort Brigadetagebücher fünf auf [1]), lässt sich bei den im Industriesalon befindlichen Brigadebüchern kein einheitlicher inhaltlicher oder formaler Standard ausmachen. Meist handelt es sich um ein (teilweise lose geheftetes, teilweise gebundenes) Sammelsurium, das lediglich grob zeitlich geordnet aus verschiedensten Dokumenten besteht: Brigadeverträge, Auszeichnungen von Kollektiven, Produktions-Selbstverpflichtungen, Mitgliederlisten, Sitzungsprotokolle, offizieller Schriftverkehr, politische Agitation, Aufrufe zu Demonstrationen etc. Das Ganze bunt gemischt mit Seiten zu Freizeitaktivitäten wie Ausflüge, Reisen, Feste und kulturelle Aktivitäten aller Art, gespickt mit Fotos der Veranstaltungen, Kostenabrechnungen, Pläne für zukünftige Kulturveranstaltungen und humoristischen Karikaturen. Genauso mischt sich Handschriftliches mit Drucksachen.

Offensichtlich war auch nicht so ganz klar, was inhaltlich im Brigadebuch stehen musste, damit es vor den Augen der BGL Gnade fand. Während z.B. „Fototron“ kaum Probleme hatte, die Seiten seiner Brigadebücher zu füllen, indem auch ausführliche Inhaltsangaben der gemeinsam besuchten Theaterstücke und ausgiebige Buchbesprechungen aufgenommen wurden, fiel es anderen Kollektiven/ Brigaden schwerer. Sie versuchten manchmal, ihr Brigadebuch aufzublähen, in dem sie politische Ereignisse wie Staatsbesuche, Beerdigungen prominenter Politiker oder politische Kongresse in ihre Berichterstattung aufnahmen, die keinerlei Bezug zum Kollektiv hatten und meistens nur aus einigen aus einer Zeitung abgeschriebenen kurzen Texten und ausgeschnittenen Pressefotos bestanden.

Vieles ist liebevoll ausgeführt, mit Zeichnungen und Kommentaren versehen, vieles nur einfach beigeheftet. Es scheint, als ob die staatlich geplante Aufhebung der Grenze zwischen Arbeits- und Freizeitwelt hier auch in der Form vollzogen wurde.

Nicht mehr nachvollziehbar ist, inwieweit auch Seiten aus den Brigadebüchern, bevor sie dem Industriesalon übergeben wurden, entfernt worden war. Manche der Brigadebücher waren – wohl nachträglich – thematisch geordnet worden. Bei anderen war die Chronologie ziemlich durcheinandergekommen, irgendwie wirkten sie, als ob sie mal heruntergefallen und einfach wieder aufgesammelt und zusammengeheftet worden waren, sodass beim Digitalisieren behutsam eine gewisse chronologische Reihenfolge wiederhergestellt werden musste. Bei anderen fehlten definitiv Seiten, z.B. bei der Kollektivchronik aus dem TI 1.

(Fortsetzung folgt)

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Brigadetagebuch

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