Aus der Geschichte des WF, Folge 10

Aus der Geschichte des WF, Folge 10

Gutes Essen stärkt die Arbeitsmoral!

„Erst kommt das Fressen, dann die Moral“ heißt es in Brechts „Dreigroschenoper“. Ganz so war es im LKVO/OSW nicht, aber für viele war in den ersten Nachkriegsjahren die Werkspeisung ein wichtiger Motivationsgrund, im LKVO/OSW zu arbeiten.

So heißt es im 1. Geschäftsbericht des LKVO, der Anfang 1946 für die Zeit August bis Dezember 1945 angefertigt wurde: „Die gute Leistung des Betriebes und der verhältnismäßig geringe Arbeitszeitausfall im abgelaufenen Geschäftsjahr sind nicht zuletzt auf die dank der Unterstützung der Herren Russischen Offiziere ermöglichte zusätzliche Verpflegung für den größten Teil der Belegschaft zurückzuführen.“[1] Ähnliches stellte auch der Geschäftsbericht für das Jahr 1946 fest: „Auch im abgelaufenen Geschäftsjahr war der Gesundheitszustand der Belegschaft besser als im Allgemeinen bei der Berliner Bevölkerung. Der durch Krankheit entstandene Arbeitszeitausfall bei der Belegschaft betrug im Durchschnitt 5,9%. Dieser Satz liegt erheblich unter dem bei der Berliner Industrie jetzt üblichen Krankenstand. Insbesondere ist diese erfreuliche Tatsache auf die auch im Jahre 1946 noch gute zusätzliche Werksverpflegung zurückzuführen.“[2] „Sehr vorteilhaft auf die Arbeitsdisziplin und damit auf die Leistung des Werkes hat sich der Grundsatz ausgewirkt, nur an die im Betrieb anwesenden Belegschaftsmitglieder die zusätzliche Verpflegung auszugeben. Es konnte daher der Arbeitsausfall wegen Krankheit und unentschuldigten Fehlens auf einem erträglichen und, wie an anderer Stelle bereits betont, unter dem allgemeinen Fehlstand liegenden Satz gehalten werden.“[3]

Stellenanzeige aus dem Jahr 1947.
Man beachte den Hinweis „Werkküche vorhanden“ als Lockmittel.
Eine Bewerbung von Frauen auf diese qualifizierten Stellen war offensichtlich nicht vorgesehen.
(Dank an Hans-Thomas Schmidt, der uns diese Anzeige zur Verfügung gestellt hat.)

Bezuschusst von den „Herrn russische Offiziere“ wurden aber nur die Essen der Spezialisten und der Facharbeiter, nicht die Hilfskräfte. Diese mussten, um in den Genuss der Werkspeisung zu gelangen Lebensmittelmarken abgeben. Außerdem wurde für diese Essensgruppe auch etwas von den Lebensmittelvoräten der markenfreien Eissen für die Spezialisten und Facharbeiter abgezweigt. Zu gute kam ihnen ab April 1946 auch, dass für alle im LKVO/OSW beschäftigten, die in Groß-Berlin wohnten, die Lebensmittelkarte 2 von den Ernährungsämtern ausgegeben wurde. Dafür stellte das LKVO/OSW als Arbeitgeber Arbeitsbescheinigungen aus mit dem Zusatz „Unser Betrieb ist ein Unternehmen der russischen Besatzungsbehörde”.[4]

Groß war die Sorge der Geschäftsleitung des OSW Ende 1946, dass die zusätzliche Lebensmittelversorgung durch die russische Leitung 1947 auslaufen würde. „Bei der zur Zeit sehr schlechten Ernährungslage in ganz Deutschland bekommt die Frage der zusätzlichen Werksverpflegung für das Oberspreewerk eine erhöhte Bedeutung, Die Leistung des Werkes muss heute leider mehr denn je mit der den Werk zur Verfügung gestellten zusätzlichen Verpflegung in Zusammenhang gebracht werden. Die Geschäftsleitung hat die Hoffnung, dass es den Herren russischen Offizieren des Oberspreewerks gelingen wird, auch für das Jahr 1947 eine ausreichende zusätzliche Verpflegung für das Werk zu sichern.“[5]

Essensausgabe in der Kantine des NEF, Frühjahr/Sommer 1946.

Während sich lt. Geschäftsbericht für 1947 für die Verpflegung der Spezialisten kaum Änderungen ergaben, die „Zuteilungen erfolgten in Form von zusätzlichen Lebens- und Genussmittelkarten … erhielt das Werk für die Facharbeiter Lieferanweisungen in Höhe des Unterschiedes zwischen den Berliner Lebensmittelkarten 1 und 2.“[6]  Die Hilfskräfte mussten weiterhin für ihre warme Mahlzeit Lebensmittelmarken abgeben und es wurde auch weiterhin für sie etwas aus den markenfreien Verpflegungszuwendungen abgezweigt. Im Oktober 1947 erließ die SMAD den Befehl Nr. 234 „Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und weiteren Verbesserung der materiellen Lage der Arbeiter“, in der u.a. das sogenannte Kotikow-Essen angeordnet wurde, benannt nach Alexander Georgijewitsch Kotikow, der von 1946 bis 1950 sowj. Stadtkommandant war.

Auch das OSW erhielt nun „eine für alle Werksangehörigen gleichmäßige zusätzliche markenfreie Werksverpflegung. Die Zuweisung erfolgt in der Form, dass dem Werk eine größere Rationenzahl nach festgelegten Normen von der zuständigen Bezirkskommandantur zur Verfügung gestellt wird. Teilnahmeberechtigt an dieser Verpflegung sind alle im Werk anwesenden Personen. Die Gemeinschaftsverpflegung bedeutet insofern einen Vorteil, als sie ohne Unterschied des Berufes allen Werksangehörigen eine tägliche warme Mahlzeit ohne Abgabe von Lebensmittelmarken gewährleistete.“[7] Dies hieß aber nicht, dass die Spezialisten nun das gleiche Essen wie der normale Arbeiter bekamen, für sie galt weiterhin, dass sie gesondert ein höherwertiges Essen bekamen. So erhielten noch 1950 „639 Angehörige des ing.-techn. Personals aufgrund der zugeteilten Intelligenzkarten zusätzliche Verpflegung“.[8]

Für 1950 vermeldete der Geschäftsbericht, dass die Qualität der Werkspeisung weiter gesteigert werden konnte. „Während im Anfang des Jahres 1950 noch 2 Nährmittelgerichte, 2 Gemüseeintöpfe und nur 2 Kartoffelgerichte mit Fleisch abgeben wurden, war es am Ende des Jahres möglich, 4 Fleischgerichte wöchentlich laufend zu geben, die allen Anforderungen der Belegschaft laufend gerecht wurden.“[9]

Voller Stolz wurden in den Geschäftsberichten für 1945, 1946 und 1947 die Anzahl der ausgegeben Essenportionen pro Monat aufgelistet. Waren es im August 1945 9.600 Portionen, so wurden im Dez.1945 bereits über 50.000 Portionen ausgegeben und im September 1946 61.000. Bis Dez. 1946 ging die Anzahl der ausgegebenen Portionen auf 38.400 zurück, da infolge der Aktion Ossawakim der Personalstand hatte reduziert werden müssen, aber im Dezember des folgenden Jahres war bereits wieder 59.400 Essenportionen ausgegeben worden.[10] In den folgenden Geschäftsberichten wurde nicht mehr die Anzahl der ausgegebenen Portionen aufgelistet, aber zumindest für 1950 erfahren wir, dass Anfang 1950 monatlich rd. 1500 und Ende 1950 2500 Werktätige vom Kotikow-Essen profitiert hatten.

Bedenkt man die Bedeutung der Werkspeisung in den ersten Nachkriegsjahren, die ja auch in den Geschäftsberichten ausführlich dargestellt wurde, verwundert es, dass sie in den beiden LKVO-Fotoalben aus dem Frühjahr/Sommer 1946 keinerlei Rolle spielten, während in dem NEF-Fotoalbum auch zwei insgesamt 39 Fotos die Küche und die Essenausgabe wiedergaben.

[1] Jahresericht für das Geschäftsjahr 1945 des LKVO, S. 12/13.

[2] Jahresbericht für das Geschäftsjahr 1946 des OSW, S. 12.

[3] Ebd. S. 14

[4] Ebd. S. 19/20

[5] Ebd. S.20.

[6] Jahresbericht über das Geschäftsjahr 1947″ des OSW (Oberspreewerk), S. 17.

[7] Ebd. S.18.

[8] Geschäftsbericht des HF für das Jahr 1950, S. 73, Landesarchiv Berlin, Rep. C404, Nr.34.

[9] Ebd. S.17.

[10] Vergl. Jahresbericht 1945, S. 13, Jahresbericht 1946, S.20 und Jahresbericht 1947, S.18.

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