Kinderbetreuung im WF, Folge 1

Kinderbetreuung im WF, Folge 1

„Jetzt geht es uns gut – denn wir haben gerade unsern Brei verdrückt und bereiten uns auf unser Mittagsschläfchen vor.
Ja, ja, die Muttis wissen, wieviel liebevolle Geduld und rastlose Arbeit die Pflege eines Kleinkindes erfordert. Unsere Kolleginnen der Kinderkrippe scheuen diese Mühe nicht und behüten sorgsam die ersten Schritte unserer Kleinsten. Sie haben das Vertrauen der Muttis, die in unserem Werk sich voll und ganz für die Erfüllung und Übererfüllung der Produktionspläne einsetzen können.“ lautet die Bildunterschrift zu einem Foto aus der Kinderkrippe des HF auf der Titelseite der Betriebszeitung HF-Sender Nr. 16 vom 28. Mai 1954.

Stutzig macht hier die Feststellung, dass die Kinderkrippe dafür Sorge trage, dass die Mütter fleißig arbeiten könnten. Es war also offensichtlich ein Bedürfnis des Betriebes, für Kinderbetreuung zu sorgen, damit Kinder nicht als Grund dienten, nicht einer – in den Augen der DDR – sinnvolleren Betätigung nachzugehen als sich die ganze Woche über um die eigenen Kinder zu Haus zu kümmern.

1990 zählte das WF 8615 Mitarbeiter, davon gut 40 % (3503) Frauen. Von diesen 3503 Frauen hatten ungefähr die Hälfte (1754) Kinder, genaugenommen 1003 eins, 600 zwei und 141 drei oder mehr Kinder. [1] Einen Krippen- oder Kindergartenplatz zu finden, dürfte im Frühjahr für die meisten Mütter kein Problem gewesen sein, hatte die DDR doch seit den 1970er Jahren der Ausbau des Kindergarten- und Krippenangebots massiv verstärkt, vor allem in der Hauptstadt der DDR mit ihren vielen Neubauvierteln.

Ende 1946 arbeiteten 1791 Personen allein im OSW, davon 540 (rd. 42 %) Frauen. Von diesen Frauen waren 540, also 71,4 % Arbeiterinnen. 143 (rd. 26 %) dieser Arbeiterinnen waren zwischen 15 und 20 Jahre alt, 129 (d. 23,5 %) zwischen 21 und 30, 118 zwischen 31 und 40, 107 (rd. 19,5 %) zwischen 41 und 50 und 48 (knapp 9 %) 51-60 Jahre alt. Nur 5 Arbeiterinnen waren älter als 60 Jahre. Obwohl es mit 660 etwas mehr Arbeiter als Arbeiterinnen im OSW zu dem Zeitpunkt gab, waren sie erst in den Altersgruppen über 30 zahlenmäßig mehr als die Frauen vertreten, vor allem zum Ende der Altersskala hin, so gab es noch 77 Arbeiter über 60 Jahre alt.[2]
Wie viele der Frauen Kinder hatten, wird leider nicht im Geschäftsbericht von 1946 nicht erwähnt, aber es dürften in der Altersgruppe der 21- bis 40-jährigen die Mehrheit gewesen sein. Kindergarten- oder Krippenplätze zu der Zeit waren praktisch nicht vorhanden, die Familien mussten sehen, wo die Kinder blieben, während Mutter arbeiten ging.

Bis Ende 1947 war die Anzahl der Werktätigen im OSW auf 2211 gestiegen, darunter auch der Frauenanteil auf 992 (fast 45 %) Frauen. Fast dreiviertel dieser Frauen (732) waren Arbeiterinnen.
Gerade für die Montagearbeiten wurden gern unqualifizierte Frauen genommen, die dann angelernt wurden. Es ist bezeichnend, wenn im Geschäftsbericht für 1948 Werkzeugmacher, Maschinenbauer, Glasbläser, Kraftfahrer und andere Berufe in der männlichen Form genannt werden, aber Kontierinnen, Schmelzerinnen, Gitterwicklerinnen, Lackiererinnen, Messerinnen, Glüherinnen, Stanzerinnen und Prüferinnen nur in der weiblichen Form aufgeführt werden.[3]

Wie viele der Frauen Kinder hatten, wird in den frühen Geschäftsberichten nicht erwähnt, ab 1948 wird nicht einmal mehr zwischen männlichen und weiblichen Beschäftigten statistisch unterschieden. Eines war aber klar: Die fehlende Kinderbetreuung war ein Produktionshindernis, mussten doch häufig eingearbeitete Kräfte ersetzt werden, weil junge Frauen mangels Kinderbetreuung mit ihren kleinen Kindern zu Hause blieben, statt arbeiten zu gehen.
Es lag also im Interesse des Betriebes, eine Kinderbetreuung anzubieten, um weibliche Arbeitskräfte zu halten.

[1] Vergl. WFS 13/90, 3. Juniausgabe, S. 3.

[2] Vergl. Jahresbericht für 1946, Industriesalon, Archiv Nr. 70046, S, 12 und Anhang „Belegschaften – Altersgruppen“, o.P.

[3] Vergl. Übersicht über die 1948 angefallenen Überstunden nach Berufen, in: Geschäftsbericht 1948, S.6, LAB, Rep. C 404, Nr. 154.

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