Betriebsteile kommen und gehen – zum Beispiel das TBN Aus der Geschichte des WF, Folge 11

Betriebsteile kommen und gehen – zum Beispiel das TBN Aus der Geschichte des WF, Folge 11

Anfang 1949 kam es auf Veranlassung der sowjetischen Leitung der „SAG Kabel“ zu einer Zwangshochzeit, an der beide Partner, weder das OSW noch das TBN, sonderlich interessiert waren. Diese Zwangsehe wurde auch schon 1953 wieder geschieden.
Wie das NEF war das TBN von den Sowjets als wissenschaftlich-technisches Büro gegründet und in eine SAG umgewandelt worden. Der volle Name des Betriebs war Technisches Büro für Nachrichtenmittel und er unterstand dem sowj. Ministerium für Nachrichtenmittel-Industrie. Im Gegensatz zum OSW und NEF hatte das TBN keine AEG-Vergangenheit, sondern war offensichtlich komplett mit in der Zeit vom Mai bis Anfang Juli 1945 organisierten „Beutestücken“ aus den auf Fernsprechanlagen spezialisierten Betrieben in den Westsektoren Berlins eingerichtet worden. Wie die anderen von den Sowjets 1945 eingerichteten wissenschaftlichen Büros dürfte auch das TBN zunächst keine Probleme gehabt haben, qualifizierte Fachkräfte zu engagieren.

Das TBN war auf Fernsprechvermittlungsanlagen, Fernsprechnebenstellenanlagen und Sekretäranlagen, aber auch auf Alarmanlagen und Polizei-Notrufsäulen spezialisiert.
Wie in den andren Werken gab es eine eigene Abteilung für Werkzeugbau, die für die Fabrikation notwendiges Werkzeug und Maschinen baute.
Die Fertigung unterteilte sich in drei Bereiche. Der Bereich Teilfertigung umfasste Werkstätten für Einzelteilfertigung, Sockelei, Kabelformerei und Teile-Montage, zum Bereich Gerätefertigung zählten die Abteilungen Fernsprechzentralen, Sekretäranlagen, Signalanlagen und Prüffeld. Dritter Bereich war die Oberflächenbearbeitung mit Galvanik und Lackiererei. Ein weiterer wichtiger Bereich, über den weder OSW noch NEF auf Grund ihrer Produkte verfügten, war die Außenmontage.
Im Entwicklungsbereich gab es ein Labor für Geräte- u. Einzelteil-Entwicklung, ein Konstruktionsbüro und eine Versuchswerkstatt.
Das TBN besaß auch – im Gegensatz zu OSW und NEF – eine eigene Lehrwerkstatt.
Und auch im Gegensatz zu OSW und NEF befand sich das TBN nicht auf dem Gelände an der Ostendstraße, sondern in der Neuen Bahnhofsstr. 9/10 (heute Friedrichshain) in einem der Gebäude, die bis Kriegsende zum Knorr-Bremsenwerk gehört hatte.

Das TBN war das kleinste Werk innerhalb des WF, Ende 1950 hatte es insgesamt 523 Mitarbeiter, während das NEF 1100 Beschäftigte und das OSW 2822 Mitarbeiter mit in die Ehe gebracht hatten.

Die Zusammenarbeit klappte zunächst überhaupt nicht, Paul Lorentz, Werkleiter des OSW und Dr. Hagelmoser, Werkleiter des TBN, konnten es gar nicht miteinander, und so gab es ab Juni 1950 keinen Dr. Hagelmoser mehr im Werk. Verantwortlich für das Werk wurde der vorhergehende technische Leiter Hardt, der auch bis 1953 als Leiter des Bereichs Vermittlungstechnik beim HF blieb.

Noch im Anfang 1951 verfassten 1. Geschäftsbericht des HFs heißt es über das TBN: „Besonders im Zweigwerk TBN waren eine Reihe verwaltungstechnischer Reformen notwendig, um, das Werk wieder zum Laufen zu bringen. Bekanntlich
waren unter der alten Geschäftsleitung, die im Juni des Jahres abgelöst wurde, unhaltbare Zustände eingerissen, die schnellstens abgestellt werden mussten.
Im Nachstehenden sollen kurz einige der vorgefundenen Missstände aufgezeigt werden:
1. Ungenügende Vor- und Nachkalkulation, 2. […] Fehlen eines geeigneten kaufmännischen Spezialisten.
3) […] Unkenntnis der bestehenden AV-Organisation und des organisatorischen Ablaufs eines Auftrages bei den AV-Sachbearbeitern, […]
4. Fehlen eines Terminbüros, dadurch völlige Unkenntnis über den Stand eines Auftrages […]
5. […] Unkenntnis des betrieblichen Führungspersonals über die einschlägige
betriebliche Organisation […]
6. Völlig unzureichende und unübersichtliche Unterbringung des Lagerwesens
im Dachgeschoß. Völlige Unklarheit über die Lagerhaltung und Verbuchung […]

Usw. und so fort. Man merkt diesem Geschäftsbericht deutlich an, wie unglücklich die HF-Leitung war, dass sie dieses chaotische Sorgenkind zugeteilt bekommen hatte, zumal es nicht nur Arbeitskraft kostete, da Ordnung in den ‚Sauladen‘ reinzubringen, sondern auch die finanzielle Gesamtbilanz des Betriebes beeinträchtigt wurde, da das TNB weit hinter den von der sowjetischen Leitung vorgeschriebenen Leistung zurückblieb.

Verschiedene Abteilungen wurden zusammengelegt, um Personalkosten einzusparen, vor allem in der Verwaltung Die Lehrwerkstatt wurde nun von allen drei Werkteilen (OSW, NEF und TBN) genutzt.

Sprach der Geschäftsbericht 1949 immer von „der von uns übernommenen Gesellschaft des Werkes TBN“ oder der „Übernahme der neuen Tochtergesellschaft (TBN)“ , so war das TBN im Geschäftsbericht 1950 zu einem Zweigwerk geworden, das aber noch getrennt im Kostenstellenverzeichnis ausgewiesen wurde. In den Kostenstellenverzeichnissen von 1951 und 1952 verschwand der Name TBN und die Abteilungen waren ins HF integriert.

Ende 1953 wurde der Produktionszweig „Vermittlungstechnik“, der weiter in der Neuen Bahnhofstr. residiert hatte, wieder aus dem HF herausgelöst und dem auf Telefontechnik spezialisierten VEB Fernmeldewerk Arnstadt unterstellt. Wohin dann Herr Hardt gegangen ist, wissen wir nicht …

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